Wallonien

Die Keramikerzeugung in Wallonien

 

Emile Decker

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Vorgeschichte
Die ersten Gruppen, die im Neolithikum Wallonien besiedeln, stammen aus der Donaugegend. Sie bringen die sogenannte Bandkeramik mit, deren Name von den eingeschnittenen Bändern herrührt, welche die Gefäße verzieren. Sie lassen sich auf dem Lehmbodenstreifen Mittelbelgiens nieder, im Osten Walloniens und in der Hesbaye zwischen der Jeker und der Maas (Standorte Darion, Hollogne, Holey, Lüttich, Omal).

Im westlichen Hennegau befindet sich im Becken der Dender (Standorte Aubechies, Irchonwelz und Blicquy) ein zweites Besiedlungsgebiet. Die dieser Bandkeramik entsprechende Kultur wurde in Belgien „Omalien“ nach dem Standort Omal benannt.

In den Gruben des belgischen „Omalien“ entdeckt man fremde Scherben einer anderen Keramik, die zur sogenannten Limburg-Kultur gehört, andere Merkmale zeigt und eine Magerung aus Knochen enthält.

Man weiß nur sehr wenig über diese zweite Kultur, ihre Keramikverarbeitung könnte laut einigen Experten älter sein als die der „Omaliens“.

Karte: Keramikerzeugung

 

Keramikerzeugung

Emile Decker, Musée de Sarreguemines

In Oleye, in der Nähe von Waremme, haben Archäologen bei einer Ausgrabung eine Struktur entdeckt, die sie als Keramikproduktionsstätte deuten. Eine freigelegte Grube wies folgenden Inhalt auf: eine Schicht aus Aussortiertem mit Klumpen von Schwemmton, entweder in Keramikflaschen oder in zur Verarbeitung bereiter Form. Außerdem fand man Haufen gepresster Schamotte.

Nach den Kulturen der Bandkeramik gibt es in Wallonien eine Aufeinanderfolge der gleichen Kulturen wie in den umliegenden Regionen: Michelsberg, Schnurkeramik, Glockenbecherkeramik, dann Übergang in die Metallzeitalter. In all diesen Perioden der Keramikherstellung werden im Großen und Ganzen die gleichen Techniken verwendet. Die Produktion ist hauptsächlich für den lokalen oder regionalen Gebrauch bestimmt.

Rillenkrug mit verziertem Fuß, Raerener Steinzeug mit Salzglasur, Ende 15. Jh, gefunden in Raeren
Foto: © Töpfereimuseum Raeren external link

Gallo-römische Zeit
Während der gallo-römischen Zeit zählt Wallonien sehr viele Werkstätten in den Becken der Schelde und der Maas. Diese Offizinen stellen Gebrauchsobjekte her in einer Produktpalette, die von feinem Tafelgeschirr bis hin zur allgemeinen Gebrauchskeramik reicht.

In den Ausgrabungen von Wohnstätten stellt man fest, dass der größte Teil der verwendeten Keramik aus regionalen Werkstätten kommt, der Anteil an importierten Produkten ist gering und betrifft die Terra Sigillata, das Feinsteingut und die Amphoren.

Die Werkstätten befinden sich im Allgemeinen im Umland von Siedlungen, nicht weit von Straßenverbindungen entfernt.

Sie vereinen mehrere Handwerker und umfassen mehrere Öfen: etwa fünfzehn in Braives, etwa zehn in Howardries, sechs in Blicquy. Der Töpferofen von Petit-Enghien ist sehr groß, er muss zu einem großen landwirtschaftlichen Landgut gehört haben, um Dolia zu brennen.

Mittelalterliche Periode
Im Tal der Maas werden viele Werkstätten aus der mittelalterlichen Periode gefunden. Zur Zeit der Merowinger produziert man Töpferware mit Motiven, die mit einem Rändelrad in die Masse eingedrückt werden, wie jene die man in Sclayn gefunden hat, und die im 5. Jahrhundert die römische Terra Sigillata imitiert. Die Motive sind christlich: Fische, Tauben, Kreuze.

Die Formen sind im Allgemeinen Doppelkegel und aus einer gräulichen Masse hergestellt. Die Töpferwerkstatt in Huy ist ein gutes Beispiel für ein Produktionszentrum am Siedlungsrand. Man hat dort neun Öfen identifiziert, mit einem Durchmesser von 0,60 m bis 1,20 m. Sie sind rund, mit einem Heizraum, einem Herdboden und einem halbkugelförmigen Ofenraum, wie jene aus der gallo-römischen Epoche.

Die Produktion erstreckt sich vom 6. bis ins 8. Jahrhundert. Die ältesten Produktionen zeigen aus der spätrömischen Zeit geerbte Gefäßformen auf. Die jüngsten dieser Gefäße haben eher gerundete Böden und weisen bereits auf karolingische Formen hin.

Keramikwerkstätten aus dem Hochmittelalter wurden in Andenne gefunden – Andenelle, Haillot, Wierde und Mozet bilden eine kleine Gruppe von Standorten an der Maas. Die Form der Öfen verändert sich. Um immer höhere Temperaturen erreichen zu können, baut man keine aufrechten Öfen mehr mit übereinanderliegenden Kammern, sondern sogenannte liegende oder horizontale Öfen. In Andenelle wurde ein liegender Ofen aus dem 11. Jahrhundert freigelegt, wohingegen in Mozet drei Öfen mit vertikalem Zug gefunden wurden.

Die Gefäßformen mit konvexen Unterseiten, die sich zur Zeit der Karolinger durchgesetzt hatten, werden ab dem 12. Jahrhundert nach und nach ersetzt, ab dem 14. Jahrhundert sind die Unterseiten dann mit Füßen versehen, meistens mit drei. Oben an den Seiten platziert man ein oder zwei Henkel. Die für neue Verwendungen gedachten Formen diversifizieren sich: Töpfe, Krüge, Mörser, Flaschen, Fettpfannen, Schalen.

Suppenterrine mit Ansicht der Faïencerie, Manufaktur Lammens in Andenne, Anfang 19. Jh.; Detail
Fotos: © Eric Hanse

Rasierschale, Manufaktur Lhomme in Huy, coll. und © Foto: Musée de Huy

Die belgische Keramik der Renaissance und der Moderne
Zur Zeit der Renaissance sticht, im belgischen Limburg in Raeren, die Produktion durch ihre Qualität und ihre ästhetischen Merkmale heraus. Die Stadt ist seit dem 15. Jahrhundert als Töpfereizentrum bekannt. Sie gehört zum Kulturraum der Töpfer aus der Rheinregion. Im 16. und 17. Jahrhundert gibt es in einem Umkreis von zwölf Kilometern um Raeren fast 50 Öfen, die Steinzeug produzieren. Die gedrehten Objekte werden engobiert, dann gebrannt und mit Salz glasiert.

Der bekannteste Töpfer ist Jan Emens Mennecken (Mennicken), in Raeren aktiv zwischen 1568 und 1594. Seine Produkte sind auf beeindruckende Weise mit Motiven und Szenen in Relief verziert. Ursprünglich produziert er hellbraunes Steinzeug, dann, um 1580, ist er einer der Ersten der die Farbe Kobaltblau verwendet, eine Eigenheit, die später auf viele Standorte im Westerwald übertragen wird.

Die in Raeren hergestellten Krüge sind oft rundum mit biblischen oder mythologischen Szenen in Flachrelief dekoriert. Man produziert dort, wie im Rheinland, Flaschen mit zylindrischem Hals, auf die man das Gesicht eines Bärtigen aufträgt. Dieses Objekt ist unter dem Namen „Bartmannkrug“ bekannt.

Steingut und Porzellan im 18. Jahrhundert
Die Fayence hat sich in Wallonien nur wenig verbreitet, einige Standorte belegen jedoch ihre Existenz, so wie der 1744 gegründete von Chimay. Man zitiert auch eine Steingutfabrik in den Archiven von Tournai 1670 und eine andere 1750, als Carpentier die Genehmigung erhält, ein Unternehmen zu eröffnen, das im folgenden Jahr von Peterinck genutzt wird, der entscheidet, Porzellan herzustellen und das Steingut aufgibt.

Er stellt die beiden Brüder Robert und Gilles Dubois ein, die zuvor in den Weichporzellanmanufakturen von Chantilly und Vincennes gearbeitet haben. Sie bringen die Produktionsgeheimnisse für diese Art von Porzellan mit.

Sie sind es, die den Porzellanlüster herstellten, den Peterinck Charles de Lorraine präsentiert, um ein Herstellungsmonopol zu erhalten. Die Manufaktur floriert schnell.

1798 verkauft Peterinck sein Unternehmen an seine Tochter Amélie, die den Anwalt Jean Maximilien de Bettignies geheiratet hat. Charles, der Sohn von Peterinck, durch die Entscheidung seines Vaters aus der Manufaktur ausgeschlossen, beschließt, seine eigene Porzellanmanufaktur zu gründen.

Portrait von François Peterinck, coll. musée d'Histoire et des Arts décoratifs de Tournai
Foto: © Eric Hanse

Vom Pfeifenton zum Feinsteingut

Mitte des 18. Jahrhunderts produzieren mehrere Regionen in Europa glasierte Keramik aus weißer Masse. In England entwickeln einige Standorte in Staffordshire Produkte aus weißer Masse, die die Kunden des Kontinents begeistern werden. In Frankreich bieten Paris mit der Manufaktur Pont-aux-Choux, Lothringen mit Lunéville und Saint Clément auch diese neue Keramik an.

Nach und nach führen die Geheimnisse der Herstellung und die Versuche von erfinderischen Praktikern zu einer Verbreitung der Steingutfabriken, die diese neue Keramik anbieten. Der Erfolg von Septfontaines in Luxembourg ab 1766 wird zum Vorbild für die Unternehmer. Eine große Zahl von Unternehmen wagen das Abenteuer, mit mehr oder weniger Erfolg: in Lüttich 1772, Attert 1780, Namur 1775, Arlon 1781, Andenne ab 1785, dann 1785 in Nimy

In diesen Steingutfabriken greift man die Motive auf, die in Luxemburg zum Erfolg geführt haben: das Kleeblatt, die Chantilly-Brindille, die Tulpen und den Hibiskus. Sie werden in Kobaltblau ausgeführt und schaffen in etwa eine stilistische und ästhetische Gemeinschaft in Wallonien. Unter all diesen Herstellungsstandorten hebt sich die Stadt Andenne heraus, in der es in der ersten Hälfte des 19. Jahrhunderts viele kleine Unternehmen gibt. Die meisten werden die Industrialisierung der Keramik nicht überstehen. Dies ist auch der Fall in Huy, wo Charles Lhomme seine Aktivität 1827 aufgibt.

Faïencerie Cappellemans à Jemappes, Mitte des 19. Jh.
Quelle: Herten, B. 1995 : La Belgique industrielle en 1850

Feinsteingut, Porzellan und Industrialisierung der Produktion
Ab den 1830er Jahren lassen sich viele Unternehmen im Süden Belgiens im Borinage nieder. In der Region von Mons haben sich etwa dreißig Steingut- oder Porzellanfabriken aufgebaut; einige haben nur eine kurze Lebensdauer. In diesem Kohleabbaugebiet begünstigt das Vorkommen von Steinkohle die Entwicklung von Keramikfabriken.

So eröffnet 1837 in Jemappes eine Manufaktur, die von Jean-Baptiste Cappellemans, einem Industriellen, aufgekauft wird, der sich mit dem Engländer William Smith zusammenschließt. Die Druckverzierungen sind ein wichtiger Teil der Produktion von Modellen, die oft in England ausgewählt werden. Die bedeutendste Niederlassung ist die der Boch aus Luxemburg, die 1841 entscheidet, eine moderne Fabrik in Saint-Vaast/La Louvière zu eröffnen. Man errichtet in der Nähe der Eisenbahn und des Kanals von Charleroi eine sehr leistungsfähige Infrastruktur mit englischen Öfen. 1852 beträgt die Zahl der Mitarbeiter 250, 1880 sind es 600.

Auch beim Porzellan gibt es technische Fortschritte. In Baudour, in der Nähe von Mons, errichtet François-Joseph Declerq 1843 eine Porzellanfabrik. Er gründet ein Geschäft in Mons, um die in der Fabrik produzierte Ware zu verkaufen. Er verwendet Steinkohle zum Heizen der Öfen. 1851 produziert er, ebenfalls in Mons, „Aux grands pilastres“, große dekorative Stücke. 

In Andenne schließen die kleinen Porzellanmanufakturen, die in der ersten Hälfte des Jahrhunderts gegründet worden waren, nach und nach. Das von Jules Dothée übernommene Unternehmen „Renard“ schließt 1864, die Manufaktur Courtois stoppt die Produktion 1879 und die von Winand 1885.

In den beiden Manufakturen in Tournai gibt es auch Schwierigkeiten. Henri de Bettignies verkauft sein Unternehmen an die Familie Boch, die industrielle Techniken und Serienarbeit am Standort einführt. Ab 1882 kommt es erneut zur Krise, und 1889 wird Konkurs angemeldet, die Fabrik schließt 1890. Im gleichen Jahr stellt die Manufaktur Victor Peterinck ihre Produktion ein.

Ende des 19. und zu Beginn des 20. Jahrhunderts entstehen viele Steingutfabriken, die sich auf Tafelgeschirr und Fantasieobjekte im Jugendstil oder später im Stil des Art déco spezialisieren: Hasselt (1893), Majolique d’Emptinne (1896) ; Terra (1880), Saint–Ghislain (1892) Wasmuel (1894), Bouffioulx 1922. Die Produkte werden in großer Stückzahl hergestellt und zu bescheidenen Preisen angeboten.

In der Art-déco-Epoche tut sich erneut La Louvière mit seinen künstlerischen Steingutprodukten hervor. Die Kreationen von Charles Catteau werden bewundert und erhalten die Stimmen des Publikums und der Jury bei den großen internationalen Ausstellungen.

Nach dem Zweiten Weltkrieg gerät Boch frères Keramis wie viele europäische Manufakturen, in Schwierigkeiten. Die Produktion von Geschirr wird nach 1974 defizitär. Nach einer ersten Liquidation 1985, bei der die Aktivitäten geteilt werden in den Teil Tischkultur (Royal Boch) und den Sanitärteil, verkündet das Handelsgericht 2011 den Konkurs.

 
Die inzwischen abgerissenen Betriebsanlagen der Manufacture royale Boch 2007
Foto: © Christian Thévenin
 

Quellen


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Lemaire, J. 1999 : La Porcelaine de Tournai, histoire d’une manufacture 1750 – 1891, Tournai, La Renaissance du Livre

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Vilvordier, Fabienne 2006 : Les céramiques régionales. Dans : Dossiers Archéologie et sciences des origines, n° 315 – juillet-août 2006, p. 118 à 125.

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Externe Links


Musée de la céramique, Andenne external link