St. Ingbert

GK016 Vopelius & Wenzel

Glashütte St. Ingbert in den 1930er Jahren
Quelle: Stadtarchiv St. Ingbert

Vereinigte Vopeliussche und Wentzelsche Glashütten GmbH

D-66386 St. Ingbert

1911-1975

Flachglas


Eva Mendgen

Als Beispiel für eine gelungene Transformation zum modernen Industriebetrieb der Saarglasindustrie führte der Saar-Atlas 1934 die "Vereinigte Vopeliussche und Wentzelsche Glashütten G.m.b.H." (VWG), den Zusammenschluss der Sulzbacher und Friedrichsthaler Tafelglashütten, an.

1913/14 hatten die Unternehmerfamilien Vopelius external link und Wentzel ihre Glashütten und Immobilien in Friedrichsthal und Sulzbach an die preussische bzw. die bayrische Bergwerksverwaltung verkauft. Diese verpflichteten sich, hier kein Tafelglas herzustellen, während die Verkäufer auf Ersatzansprüche wegen Bergbauschäden verzichteten.

1914 beschloss man, eine neue Glashütte in St. Ingbert zu errichten, wo sie sicher vor Bergschäden sein würde. Die Stadt St. Ingbert setzte sich für den Bau ein, auch gegen die Bedenken der benachbarten Eisenhütte, die die Schädigung des Waldes durch die Abgase befürchtete.

Im Oktober 1918 begann die Arbeit in dem „Musterbetrieb…, der in gleicher Ausdehnung und praktischer Anlage für den besonderen Zweck der Fensterglaserzeugung einzig dasteht“ – eine der leistungsfähigsten Glashütten auf dem Kontinent.

Bauplan der St. Ingberter Glashütte, 1914
Quelle: Staatliches Konservatoramt Saarbrücken, Foto Mendgen

Glasmachersiedlung, St. Ingbert
Foto: Mendgen 2002

Mechanisierung
Nach dem 1. Weltkrieg hatten Vopelius und Wentzel gemeinsam mit der Lautzenthal-Glashütten GmbH in St. Ingbert 1921 die Lizenz für das Tafelglasziehverfahren nach Fourcault erworben und ein Gemeinschaftsunternehmen gegründet, die Saartafelglas GmbH, die im Juni 1922 in Sulzbach die erste Fourcault-Anlage in Deutschland (?) in Betrieb nahm.

Wegen technischer Schwierigkeiten und der Inflation gaben die Geschäftspartner ein halbes Jahr später wieder auf. 1924 startete die VWG nochmals einen Versuch, dieses Mal erfolgreich: Sie gründete gemeinsam mit der Ersten Böhmischen Glasindustrie AG die Richard-Hütte AG für Glasfabrikation und produzierte ab 1925 mit sechs Fourcault-Maschinen monatlich etwa 110 000m² Fensterglas.

1926 wurde dann die St. Ingberter Fabrik auf das Fourcault-Verfahren umgestellt, Glasbläser und Glasstrecker durch Maschinen ersetzt. Die Umstellung auf das Ziehverfahren brachte drastische Rationalisierungsmaßnahmen mit sich, aus Glasbläsern wurden Maschinenarbeiter, die Lohnkosten sanken um die Hälfte. Die Arbeiter verdienten weniger als die Glasbläser, aber immer noch mehr als die in der Schwerindustrie Beschäftigten.

Die Einführung des maschinellen Verfahrens brachte Überkapazitäten und einen Verfall der Preise mit sich. Aus diesem Grund schlossen sich die führenden Tafelglashersteller 1927/28 zum Verein Deutscher Tafelglashütten zusammen (VDT). 1932 entstand die Deutsche Tafelglas Aktiengesellschaft (DETAG), in der alle größeren Fourcault-Hütten vertreten waren, auch die VWG.

Der französische Konzern St. Gobain hielt hier 42,5%, musste sich allerdings 1937 auf Druck der NS-Regierung wieder aus der DETAG zurückziehen. Die Gruppe Vopelius-Wentzel übernahm einen Großteil der Anteile.

Nach dem 2. Weltkrieg war das Saargebiet französisch besetzt, und die DETAG verkaufte ihre Anteile an der VWG an die Vereinigte Glaswerke GmbH (VEGLA) in Aachen, die zu St. Gobain gehörte.

Nach dem Zweiten Weltkrieg hatte die Tafelglasindustrie eine führende Stellung erlangt. Die Produktionskapazität erreichte 1958 ungefähr 25 000 t oder mehr als vier Millionen qm Flachglas im Jahr. "Von der Ausfuhr entfällt ungefähr die Hälfte auf den französischen Markt. Im Übrigen beliefert die Glasindustrie zahlreiche europäische und überseeische Länder." (Even)

Glashütte St. Ingbert Mitte der 1990er Jahre, kurz vor dem Abriss
Quelle: Stadtarchiv St. Ingbert

Errichtung eines Baumarktes mit der Silhouette der 1997 abgerissenen Glashütte

Denkmal 
Die in den 1950er Jahren noch florierende St. Ingberter Glashütte wurde 1975 stillgelegt, die Umstellung auf das modernere Floatglasverfahren lohnte sich nicht mehr.

Die als Stahlfachwerkkonstruktion nach Entwürfen des Saarbrücker Architekten Karl Fischer (1914) gebaute Glashütte wurde 1994 unter Denkmalschutz gestellt als eines der besten Beispiele der Industriearchitektur der 1920er Jahre, ebenso die benachbarte Glasmachersiedlung. 

1997 erfolgte der Abbruch zweier der bedeutendsten historischen Relikte der saarländischen Glasindustrie, des Magazingebäudes der Fenner Glashütte und der Vopelius-Wentzel’schen Glashütte in St. Ingbert.

Der anschließend an der Stelle der St. Ingberter Glashütte errichtete Neubau eines Baumarktes nimmt die Silhouette der alten Glashütte auf, um so an sie zu erinnern.

Quellen


Ganser, K. 2000: IndustrieKultur Saar, der Bericht der Kommission, Hrsg. Saarland Staatskanzlei Stabsstelle Kultur, Saarbrücken

Glaser, H. und E. Mendgen 2005: Ein untergegangener Industriezweig und seine Denkmäler. Argumente für eine Glasstraße Saarland-Lothringen“. In Eckstein, Journal für Geschichte Nr.11, Saarbrücken

Glaser, H. 2000: Die Glasindustrie der Saarregion und die Zerstörung ihres bedeutendsten Denkmals. Zum geplanten Abriss der Glashütte Vopelius&Wentzel in St. Ingbert. In: Eckstein, Journal für Geschichte Nr.9, S.42-55

Lauer, W. 1922: Die Glasindustrie im Saargebiet, Ein Beitrag zur Wirtschaftsgeschichte des Saargebiets. Diss. Tübingen, Braunschweig; Landesarchiv des Saarlandes Inv.Nr.604

Lauer, W. 1929: Die Glas- und Keramikindustrie im Saargebiet, Das Saargebiet, seine Struktur, seine Probleme, Saarbrücken, S. 263–308

Schmitt, A. 1989: Denkmäler Saarländischer Industriekultur, Saarbrücken

Externe Links


R. Meyer: Die Familie Vopelius external link

Stadt Sulzbach: Die Villa Vopelius external link