Centre

Der Steinkohlenbergbau im Centre

Malte Helfer

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Das mittlere Revier des Hennegau
Das Bassin du Centre ist das mittlere der drei westlich von Namur gelegenen Becken des Haine-Sambre-Maas-Kohlengürtels zwischen dem Borinage im Westen und dem Pays Noir im Osten.

Auf halber Strecke zwischen Mons und Charleroi bildet La Louvière das Zentrum der zwölf Gemeinden des etwa 640 km² umfassenden Beckens.

Das unmittelbar östlich von Mons beginnende Revier wurde früher auch Levant de Mons genannt. Bis 1973 wurden hier Kokskohle und Magerkohle aus etwa 25 relativ dünnen und unregelmäßigen Flözen mit einer Gesamtmächtigkeit von 15-20 m abgebaut.

Die umfassendsten Darstellungen der Geschichte des Bassin du Centre finden sich bei R. Pourbaix und P. Pellin.


Karte: Steinkohlenbergbau

Steinkohlenbergbau

Malte Helfer, Université du Luxembourg

Anfänge um 1300
Das erste Anzeichen für Kohlenbergbau im Centre geht auf das Ende des 12. Jh. zurück: Die Abtei Bonne-Espérance besass einen Ort, der "Cour des Carbonières" genannt wurde – dabei könnte allerdings auch Holzkohle gemeint gewesen sein. Der erste zuverlässige konkrete Beleg für den Steinkohlenbergbau im Centre ist die 1299 von Gilles Rigaut, dem Herrn von Roeulx, der Abtei erteilte Genehmigung, in Houdeng-Goegnies nach Kohle zu graben.

Bois du Luc / Bassin du Centre
Der Standort wurde 2012 als einer der vier bedeutendsten wallonischen Bergbaustandorte ins Weltkulturerbe der UNESCO aufgenommen.
Quelle: Alte Postkarte

Die nächsten Belege betreffen Strepy 1378, Morlanwelz 1372, La Louvière 1390, Haine-St-Paul 1401, Haine-St-Pierre und la Hestre 1410 sowie Sars-Longchamps 1423.

Der Abbau fand in einer Tiefe bis zu etwa 20 m statt. Die kleinen Gruben wurden wieder aufgegeben, wenn sie einstürzten oder die Schächte voll Wasser liefen. 1378 wird erwähnt, dass in Morlanwelz eine Einrichtung zum Abführen des Wassers eingerichtet wurde, woraufhin tiefere Flöze aufgeschlossen werden konnten.

1685 wurde die Société du Grand Conduit et du Charbonnage d’Houdeng gegründet, die einen Entwässerungskanal baute, der das Wasser in bis zu 50 m Tiefe in Rohren aus Eichenholz zu dem 3 km entfernten Bach Thiriau abführte, ein für die damalige Zeit spektakuläres Projekt.

Sein Erfolg, der 1715 zur Gründung der Grube Bracquegnies führte, brachte seinen Teilhabern Wohlstand und Einfluss. Die Gesellschaft, aus der später die Société Anonyme des Charbonnages de Bois-du-Luc à Houdeng-Aimeries hervorging, bestand von 1685 bis 1973, also nahezu drei Jahrhunderte lang.

Im 18. Jh. entstanden zahlreiche weitere Bergwerksgesellschaften: La Barette 1735, Sart-Longchamps 1747, Houssu 1751, La Hestre et Redemont en 1756, Bascoup 1768, St-Denis et Obourg 1784, usw.

Die Einführung der Dampfmaschine 1766
1766 wurde von der Gesellschaft La Barette die erste atmosphärische Dampfmaschine zur Wasserhaltung im Centre installiert. Die Einführung der 1706 von Newcomen erfundenen Maschine revolutionierte den Kohlenbergbau, der durch das Abpumpen des Grundwassers in immer größere Tiefen vorstoßen konnte.Es folgten Bois-du-Luc 1779, Bascoup 1788 und Sars-Longchamp 1789. 1807 wurde auf Bois-du-Luc die erste Dampfmaschine zur Kohlenförderung eingerichtet, die bald auch in anderen Gruben eingesetzt wurde.

Unter dem Ancien Régime mussten die Gesellschaften ein "droit de terrage" oder "entrecens" an den Grundherrn zahlen. Die Abtei von Saint-Denis erhob beispielsweise einen entrecens von etwa 1/6 der Förderung von der Société du Grand Conduit et du Charbonnage de Houdeng. Dieses Privileg wurde mit dem Loi Mirabeau (ab 1791 im Zuge der Ausbreitung des Revolutionsgebietes) und schließlich dem napoleonischen Berggesetz (1810) von Napoleon I abgeschafft, und durch staatliche Berghoheit und Konzessionsvergabe ersetzt.

Mit dem wirtschaftlichen Aufschwung Belgiens nahm die Industrialisierung im Centre im 19. Jh. Aufschwung. Neben einer bedeutenden Eisenindustrie entwickelten sich auch Keramik-, Glas- und Textilindustrie. Es entstanden auch weitere Bergwerksgesellschaften: Mariemont 1801, Péronnes, Maurage und Boussoit 1827, Bois-d’Haine 1838, Piéton 1843 usw.

 

Die Blütezeit im 19. Jahrhundert
Die Förderung stieg immer weiter, die Zahl der Bergleute stieg von 2.500 im Jahr 1810 auf das Neunfache am Ende des Jahrhunderts. Diesen gewaltigen Arbeitskräftebedarf konnte die lokale Bevölkerung nicht mehr decken.

Um Arbeiter anzuziehen, ließen große Bergwerksgesellschaften Arbeitersiedlungen (Cités) nach dem Vorbild von Grand-Hornu im Borinage (1819) errichten, in Bois-du-Luc, Mariemont, Houssu, Bracquegnies, La Louvière, Bouvy und anderen Orten.

Bois-du-Luc / Bassin du Centre
Quelle: M. Helfer (2003)

Die Société de Bois-du-Luc beschloss z.B. 1838 die Errichtung der Bergarbeitersiedlung Bosquetville, in der die Familien für die damalige Zeit komfortabel lebten und sogar einen Garten hatten. Später dazu kommende Einrichtungen machten die Arbeitersiedlungen weitgehend autonom: ein Fleischer, eine Mühle, ein Pflegeheim, eine Schule, ein Festsaal usw.

Von 1837 bis 1900 wuchs die Bevölkerung der Bergbaugemeinden um das Dreieinhalbfache, während die anderen Gemeinden der Region nur um die Hälfte zunahmen.

St-Albert, Péronnes / Bassin du Centre
Quelle: Alte Postkarte

In der 2. Hälfte des 19. Jh. wurden einige Gesellschaften des Centre von Bergbauunternehmen des Beckens von Charleroi übernommen (la Compagnie des Charbonnages de Piéton, les Charbonnages de Carnières-Sud usw.).

Die Bergwerksgesellschaften von Charleroi hatten sich stark für den Bau des Canal du Centre über den Höhenzug zwischen Maas und Schelde eingesetzt, um ihre Kohle nach Frankreich absetzen zu können. 1888 war der Kanal zwar noch nicht fertig, aber das 1. Hebewerk wurde bereits eingeweiht. Der Kanal ging schließlich erst 1917 in Betrieb.

Zwischen 1900 und 1930 prosperierte das Centre trotz des 1. Weltkrieges stark, und die Bergbauunternehmen investierten: 1903 wurde in Quesnoy bei Trivières (ein Schacht von Bois-du-Luc), der erste Turbogenerator Belgiens mit einer Leistung von 300 kW eingerichtet.

1906 erwarben die Charbonnages de Ressaix die Konzession von Genk-Sutendael in der Campine, die ab dem Ende des 1. Weltkrieges erschlossen wurde. Aber auch in der Region selbst wurden 1912 in den bisher nicht erschlossenen Gemeinden im Süden des Reviers etwa 15 Sondierungsbohrungen für die Suche nach weiteren Flözen unternommen, wenngleich oft ohne Erfolg.

Mit den neuen Standorten Marie-José von Maurage, Bray und Levant de Mons konnte das Centre seine Förderung um 21% steigern. 1921 war die Zahl der im Bergbau Beschäftigten auf 28 000 gestiegen. Züge brachten Arbeiter aus Flandern, aber auch Einwanderer kamen dazu. Die Kohlen der 33 Gruben wurden nach Brüssel, Anvers, Tournai und Flandern verkauft, aber auch nach Paris und sogar bis nach Marokko exportiert.

Das erste wallonische Revier wird aufgegeben
Mit der Wirtschaftskrise von 1930 begann auch die Krise des wallonischen Bergbaus. Die aus dünnen und unregelmäßigen Flözen geförderte Kohle musste nun zunehmend mit importierter Kohle konkurrieren.

Nach dem 2. Weltkrieg wurden zunächst deutsche Kriegsgefangene eingesetzt, dann immer mehr Einwanderer eingestellt, v.a. aus Italien, aber auch aus Spanien, Griechenland usw., da der Beruf des Bergarbeiters für die Einheimischen nicht mehr so attraktiv war.

In manchen Gruben des Centre waren drei Viertel der Bergleute unter Tage Ausländer. In der Hoffnung, der Bergbau werde sich von der Krise erholen, investierten einige Bergwerksunternehmen, wie etwa die Charbonnages de Ressaix am Standort Saint-Albert 1954/55, mithilfe von Subventionen noch einmal in große moderne Anlagen.

Quesnoy / Bassin du Centre
Quelle: Alte Postkarte

Emmanuel, Bois-du-Luc / Bassin du Centre
Quelle: M. Helfer (2003)

1951 unterzeichnete Belgien den EGKS-Vertrag, der die heimische Kohle ab 1952 der billigeren Konkurrenz aus den Nachbarländern aussetzte.

Wie in den benachbarten Kohlerevieren kam es auch im Centre zu fortgesetzten Schließungen: Mariemont 1955, Ressaix 1956 und Bois-du-Luc 1959. In diesem Jahr fusionierten die Gesellschaften Ressaix, La Louvière und Mariemont zu den Charbonnages du Centre.

Maurage schloss 1961, 1969 Saint-Albert von Ressaix. Als letztes Bergwerk des Bassin du Centre wurde 1973 Quesnoy in Trivières von der S.A. de Bois-du-Luc stillgelegt.

Damit hatte im ersten der wallonischen Reviere der Bergbau sein Ende gefunden.

Quellen


Dejollier, R. (1988): Charbonnages en Wallonie. 1345-1984. Namur.

Delwiche, M. et Groff, F. (1985): Les gueules noires. Bruxelles.

Lebrun, P. (1981) : La révolution industrielle, in: L’industrie en Belgique. Deux siècles d’évolution 1780-1980, Bruxelles.

Pellin, P. (o.J.): Charbonnages du Hainaut. 

Pourbaix, R. (1994): Le bassin minier du Centre. In: Roger Berwart/Philippe Delforge (Hg.): L’héritage des gueules noires. De l’histoire au patrimoine industriel - Archives de Wallonie, Charleroi, S. 85-108.

 

Externe links


Ecomusée Régional du Centre, Bois-du-Luc external link

Patrimoine industriel Wallonie-Bruxelles asbl external link 

Sites miniers majeurs de Wallonie external link