Pays Noir

Der Steinkohlenbergbau im Pays Noir

Malte Helfer

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Das Revier um Charleroi
Das Pays Noir, das Schwarze Land, umfasst die zusammenhängenden Kohlebecken von Charleroi und der Unteren Sambre von Farciennes im Osten bis kurz vor Namur im Westen, die sich bei einer Breite von gut 10 km über eine Länge von etwa 45 km erstrecken.

Die Lagerstätte besteht aus einer größeren Anzahl relativ dicht beieinander liegender, vielfach gefalteter und zerstückelter Flöze von etwa 0,5 bis 1,2 m Mächtigkeit, die im Osten Anthrazit und im Westen Kokskohlen, also besonders wertvolle Kohlen führen, von denen die letzteren für die Eisenerzeugung eine wichtige Rolle spielen.

An der Unteren Sambre im Osten des Reviers dünnt die Kohlenlagerstätte bereits deutlich aus.

Die umfassendsten Darstellungen der Geschichte des Pays Noir finden sich bei R. Berwart und P. Pellin. 


Karte: Steinkohlenbergbau

Steinkohlenbergbau

Malte Helfer, Université du Luxembourg

Das älteste Dokument, das den Bergbau bei Charleroi erwähnt, geht auf das Jahr 1251 zurück. Es handelt sich um einen Vertrag zwischen dem Abt von Lobbes und dem Erzbischof von Cambrai, der dokumentiert, dass jeder der beiden eine Hälfte einer Kohlengrube von Gilly besitzt.

An der Unteren Sambre ist der erste Beleg ein Dekret von 1345, das einem gewissen Gérars le charbonnier gewährt, eine Kohlengrube in einem Wald von Velaine-sur-Sambre zu betreiben. In der Folge werden Gruben erwähnt in Lodelinsart 1380, Gosselies 1542, Jumet 1544, Marchienne 1570 usw. Die dicht an der Oberfläche zu findende Kohle diente Jahrhunderte lang nur zum Heizen und für das Schmiedefeuer. Erst ab dem 17. Jh. wurde die Kohle in der Glasherstellung verwendet, ab Anfang des 18. Jh. auch in der Eisenerzeugung.

Boubier / Pays Noir
Quelle: Alte Postkarte

Die Einführung der Dampfmaschine 1735
1735 wurde in Lodelinsart von dem großen Industriellen Jacques Desandrouin die erste Newcomen-Dampfmaschine zur Wasserhaltung eingerichtet. Etwa zwanzig Jahre später wurden einige große Gesellschaften gegründet, wie Notre-Dame-au-Bois in Jumet und Sacré-Madame in Dampremy, die ebenfalls atmosphärische Dampfmaschinen einsetzten.

Dank der Dampfmaschinen konnte man der Kohle in die Tiefe folgen; die Förderung stieg, und der Preis der Kohlen sank, was die Industrialisierung des Beckens motivierte.

Die Eisenindustrie nahm Aufschwung in der Region. 1770 sollen im Pays Noir 32 größere Gruben Kohle gefördert haben, die bedeutendste darunter die "Houillère Sacrée" in Gosselies, ferner zahllose Kleingruben, sog. Cayats, die mit kleinen, meist weder ausgebauten noch befestigten Schächten selten mehr als 20 m Tiefe erreichten. Die Bergleute ließen sich in einer Tonne an einer Kette in die Schächte von 1,5-2,5 m Durchmesser hinab, die von einer Handkurbel bedient wurde und auch zur Kohlenförderung diente.

Verbesserung der Transportinfrastruktur
Nachdem unter dem Ancien Régime das Recht auf die Bodenschätze bei den adligen oder kirchlichen Grundherren lag, die Abbaugenehmigungen gegen einen Anteil an der Förderung vergeben hatten, führte nach dem Loi Mirabeau (ab 1791 im Zuge der Ausbreitung des Revolutionsgebietes) das napoleonische Berggesetz (1810) zu staatlicher Berghoheit und Konzessionsvergabe. Jetzt entwickelte sich die Kohlenförderung, die erst bei 178 000 t lag, überall im Becken. Es entstanden die meisten der zahlreichen Bergwerksgesellschaften, die die Lagerstätte des Pays Noir in den nächsten 170 Jahren ausbeuten sollten. Oft gingen sie aus ehemaligen Cayats hervor. Eine davon wurde später die Gesellschaft Monceau-Fontaine, weitere waren Nord de Gilly in Fleurus, Charbonages de Lodelinsart usw.

1825 wurde die Fördermenge des Centre überschritten. 1830 gab es 128 Schächte in der Region, deren tiefster 200 m erreichte. Es gab 34 Fördergerüste und 11 Dampfmaschinen zur Wasserhebung. Zu dieser Zeit konzentrierten sich etwa drei Viertel der Förderung des Beckens auf die Gemeinden Gilly, Lodelinsart, Châtelineau, Montignies-sur-Sambre und Charleroi. 1836 wurde die Gesellschaft Monceau-Fontaine gegründet, deren Konzession die damals enorme Fläche von 1 700 ha umfasste. Nach insgesamt zehn Erweiterungen sollte sie später die bedeutendste belgische Bergbaugesellschaft werden.

Aufgrund der ungünstigen Transportwege mussten die Unternehmen des Pays Noir ihre Kohle deutlich billiger verkaufen als die des Borinage, in einigen Fällen bis zum halben Preis.

Ab 1832 verband der Kanal Brüssel-Charleroi das Revier mit der Hauptstadt. Erst 1839 öffnete der französische Oise-Sambre-Kanal den Pariser Markt, der bisher den Gruben des Borinage vorbehalten war, auch den Unternehmen des Pays Noir, die nun kräftig expandieren konnten.

1840 wurde die Förderung des Beckens von Liège überschritten. Aber das Pays Noir war zu dieser Zeit das unproduktivste und rückständigste des ganzen Hennegau. 1841 führte Überproduktion zu einem Verfall der Preise und der Löhne, teils um 10% innerhalb eines Jahres, was zu einer Reihe von Pleiten und Übernahmen führte.

Fiestaux / Pays Noir
Quelle: Alte Postkarte

Fusionen verbessern die Produktivität
Aus den Fusionen gingen große, kapitalkräftige Gesellschaften hervor, die endlich in die Verbesserung der Produktivität investieren konnten: 1846 die Société des Charbonnages de Charleroi, 1852 übernahm Monceau-Fontaine die Charbonnage du Martinet. 1862 vereinigte sich die Charbonnage d'Amercoeur in Jumet mit der Société de Naye-à-Bois. Die Jahresförderung verdreifachte sich in kurzer Zeit von 516 000 im Jahr 1835 auf 1,7 Mio. t 1847.

1865 hatte das Pays Noir auch das Borinage hinsichtlich der Förderung überholt und war so zum bedeutendsten belgischen Revier geworden. Im Gegensatz etwa zum Borinage fand im Becken von Charleroi eine industrielle Diversifizierung statt – hier entstand vor allem die zeitweise weltweit bedeutendste Eisenindustrie, die einen enormen Bedarf an Kokskohlen entwickelte.

Martinet / Pays Noir
Quelle: Alte Postkarte

Die Schächte wurden tiefer, überschritten in Marcinelle-Nord und Marchienne gegen das Ende des Jahrhunderts 1 000 m. Die Förderung stieg bis 1897 auf 7,7 Mio. t.

1868 entstand die Société du Centre de Gilly durch die Fusion von 4 Unternehmen usw. Die Investitionen kamen aus Charleroi, aber auch aus Brüssel und selbst aus Frankreich. Um 1870 setzten die Hüttenbetreiber die Bergwerksgesellschaften unter Druck: Um den Preis der wallonischen Kohle zu drücken, zögerten sie nicht, sich in Deutschland zu versorgen.

Gegen 1873 hatte sich die Lage beruhigt, aber es kam regelmäßig zu sozialen Konflikten, der Kohlepreis fiel, die Löhne folgten. Abwechselnd dazu streikten die Eisenarbeiter des Reviers. Diese Entwicklung setzte sich bis zum 1. Weltkrieg fort, 1910 war eine Förderung von 8,6 Mio. t erreicht.

Dem Kriegseinbruch folgte wieder eine kräftige Aufschwungphase. 1929 förderten im Pays Noir 42 300 Bergarbeiter in 79 Gruben knapp 7,8 Mio. t. Zu dieser Zeit bildeten 26 Gesellschaften die Association des Charbonnières des Bassins de Charleroi et de la Basse-Sambre, die Rationalisierung und Produktivitätsverbesserung organisierte. Das Revier erzeugte nun bis zu 30% der belgischen Gesamtförderung.

Einige Gruben waren technisch sehr fortschrittlich: Bois de Cazier automatisierte die Förderung und den Wagenumlauf an der Oberfläche bereits Anfang der 1930er Jahre. Manche Gruben richteten eigene Kraftwerke ein, die es ihnen erlaubten, einen Teil der unverkäuflichen, vorher deponierten Kohlen zu verbrennen. Der in den elektrifizierten Anlagen nicht benötigte Strom wurde verkauft und mit gutem Profit ins Netz eingespeist. Der Hennegau förderte noch mehr als 60 % der belgischen Gesamtproduktion und profitierte von einem bedeutenden Export insbesondere nach Frankreich, aber auch nach Holland und der Schweiz.

Der langsame Niedergang ab den 1920er Jahren
Andererseits kamen nun allmählich neue Energieträger und billige Importkohle nach Belgien, so dass der Bergbau in die Krise kam. Überproduktion führte zu massiven Entlassungen, die Zahl der Bergleute in Belgien sank von 173 000 im Jahr 1928 auf 117 000 im Jahr 1940.

Gleichzeitig nahm der Anteil der ausländischen Arbeiter unter Tage zu, die zumeist aus Italien kamen.

Trotz der Fusionen gab es im Becken von Charleroi immer noch mehr Kleinunternehmen als in den anderen Revieren, insbesondere, da einige von ihnen teilweise oder ganz der Eisenindustrie gehörten.

Erst zu Beginn des 2. Weltkrieges – 1938 hatte die Förderung im Pays Noir knapp 8,4 Mio. t erreicht – wurde es von dem nach dem 1. Weltkrieg neu erschlossenen flämischen Campine-Revier als förderstärkstes belgisches Revier abgelöst.

Bois du Cazier / Pays Noir
Der Standort wurde 2012 als einer der vier bedeutendsten wallonischen Bergbaustandorte ins Weltkulturerbe der UNESCO aufgenommen.
Foto: M. Agrillo 2007 (CC)

Im Zuge der Kohlenschlacht nach dem Krieg wurden mangels Maschinen zusätzliche Arbeiter aus Flandern und Italien ins Pays Noir angeworben. 1950 förderten dort 18 Gesellschaften aus 57 Gruben etwa 6,7 Mio. t, ein Drittel der in der Wallonie geförderten 19,1 Mio. t, bzw. ein Viertel der gesamten belgischen Förderung von 27,2 Mio. t.

Amercoeur / Pays Noir
Quelle: Alte Postkarte

1951 unterzeichnete Belgien den EGKS-Vertrag, der 1952 die Grenzen für den europäischen Kohlenhandel öffnete und den Preis der unverhältnismäßig teuren belgischen Kohle drückte.

Trotz der Unterstützungen der EGKS für die Umstrukturierung und Rationalisierung des Bergbaus musste eine belgische Grube nach der anderen schließen, da die Lagerungsverhältnisse ungünstiger als in den Nachbarländern waren.

Die Kohlenförderung im Pays Noir sank von 7,2 Mio. t in der ersten Hälfte der 50er Jahre bis 1960 auf 5,3 Mio. t, bis auf 3,8 Mio. t im Jahr 1967.

Sainte Catherine du Roton war bis 1960 noch einmal völlig modernisiert worden, schrieb aber bald wieder Verluste. Nach einigen großen Streiks in den 1960er Jahren verlor der Bergbau allmählich den Rückhalt von Bevölkerung und Politik, die nicht mehr bereit war, den Bergbau dauerhaft mit gewaltigen Summen zu subventionieren.

Selbst die bedeutendste belgische Bergwerksgesellschaft Charbonnages de Monceau-Fontaine mit einer zuletzt 7 260 ha großen Konzession und einer Jahresförderung von einst fast 2 Mio. t musste aufgeben. 1975 schloss Pêchon in Couillet, die Förderung des Pays Noir fiel unter 1 Mio. t, und die letzten Gruben folgten bald nacheinander:

Tergnée in Aiseau-Presles 1977, N° 18 Parent in Marchienne 1978, N°19 Bas Long Prés in Marchienne 1979 und N°17 Bois des Vallées in Piéton 1980. Von 1980-82 wurde bei Gosselies ein 45 ha großer Steinkohlentagebau betrieben, aus dem insgesamt 159 000 t gefördert wurden.

Nachdem ihre Stilllegung ursprünglich schon für 1981 angesetzt war, erhielt Sainte Catherine du Roton in Farciennes noch eine kurze Verlängerung, bevor sie mit 1 100 Mitarbeitern 1984 als letztes wallonisches Bergwerk überhaupt stillgelegt wurde.

Ste-Catherine du Roton / Pays Noir schloss 1984 als letztes wallonisches Bergwerk
Quelle: Hist. Postkarte

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Quellen


Berwart, R. (2002): Le bassin minier de Charleroi et de la Basse-Sambre. In: Roger Berwart/Philippe Delforge (Hg.): L’héritage des gueules noires. De l’histoire au patrimoine industriel - Archives de Wallonie, Charleroi, S. 109-156.

Dejollier, R. (1988): Charbonnages en Wallonie. 1345-1984. Namur.

Delaet, J.-L. (2002): Les charbonnages du pays de Charleroi aux XIXe et XXe siècles. In: Herrmann, H.-W. u. P. Wynants (Hg.): Acht Jahrhunderte Steinkohlenbergbau - Huit siècles de charbonnage. Colloques Meuse-Moselle 2, Facultés Universitaires Notre-Dame de la Paix, Namur. Namur, S. 107-121.

Delwiche, M. et Groff, F. (1985): Les gueules noires. Bruxelles.

Lebrun, P. (1981) : La révolution industrielle. In: L’industrie en Belgique. Deux siècles d’évolution 1780-1980, Bruxelles.

Pellin, P. (o.J.): Charbonnages du Hainaut.

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Externe Links


Le Bois du Cazier external link

Office communal de tourisme Fleurusien: Les mines de la région de Charleroi external link 

Patrimoine industriel Wallonie-Bruxelles asbl external link

Sites miniers majeurs de Wallonie external link

 

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