Besuchen von Freunden und Familie

Christian Wille

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Zu den häufigsten grenzüberschreitenden Alltagspraktiken in der Großregion SaarLorLux zählt auch das Besuchen von Freunden und Familienmitgliedern in einer Nachbarregion. Analog zu den besprochenen Konsumpraktiken ist auch hier eine differenzierende Annäherung notwendig, und zwar unter verschiedenen Gesichtspunkten:

So ist erstens zu unterscheiden, ob die Einwohner der Großregion SaarLorLux angeben persönliche Kontakte im angrenzenden Ausland zu haben und ob sie diese dort tatsächlich aufsuchen. Zweitens ist zu unterscheiden zwischen Freunden/Bekannten und Familienmitgliedern, insofern als es sich bei diesen Personenkreisen um unterschiedliche Formen der sozialen Beziehung handelt.

Drei Viertel der Einwohner der Großregion SaarLorLux geben an persönliche Beziehungen im angrenzenden Ausland zu haben (vgl. Wille/Reckinger/Kmec/Hesse 2014). Diese sind besonders häufig unter den Einwohnern Luxemburgs (87%) zu verzeichnen, v.a. unter den ansässigen Ausländern.

Karte: Grenzüberschreitende Alltagspraktiken

Karte: Grenzüberschreitende Alltagspraktiken

Christian Wille, Université du Luxembourg

In den frankophonen Teilgebieten und im Saarland sind persönliche Kontakte in die Nachbarregionen seltener (durchschnittlich 67%). Bei den angegebenen Kontakten handelt es sich in erster Linie um Beziehungen zu Freunden/Bekannten (58%), gefolgt von Verwandten (40%) und Arbeitskollegen (24%).

Dass in der Großregion SaarLorLux weitaus mehr grenzüberschreitende soziale Beziehungen aufgrund von Freund- und Bekanntschaften als von Verwandtschaften bestehen, bestätigen auch Scholz (2011: 185) und Cavet/Fehlen/Gengler (2006: 68.).

Sie zeigen ferner, dass grenzüberschreitende Freundschaften mit steigendem Bildungsniveau, einem Wohnort in Grenznähe und ausgeprägter grenzüberschreitender Alltagsmobilität (z.B. Grenzpendler) wahrscheinlicher sind und zwischen den Einwohnern von Rheinland-Pfalz und den Einwohnern der beiden frankophonen Regionen weniger ausgeprägt sind; hingegen zählen viele Einwohner des Saarlandes häufig Personen aus Lothringen zu ihren Freunden. Außerdem sind Freundschaften v.a. zwischen den Befragten aus Wallonien, Lothringen und Luxemburg auszumachen.

Tabelle 5: Räumliche Verteilung der Praktik ‚Freunde besuchen’ und ‚Familie besuchen’ nach Wohnregionen der Befragten in % (Mehrfachnennungen) (Wille/Reckinger/Kmec/Hesse 2014)

Hinsichtlich der schwächer ausgeprägten grenzüberschreitenden Familienbeziehungen – die mit den zahlreichen historischen Grenzverschiebungen, aber auch mit Migrationsbewegungen oder Netzwerkeffekten im Zuge von Zuwanderung in Verbindung gebracht werden können – zeigen Cavet/Fehlen/Gengler (2006: 65) und Scholz (2011: 184), dass tendenziell eher in Grenznähe wohnende Personen Familienmitglieder in zumeist nur einer – und nicht in mehreren – Nachbarregion haben.

Die räumliche Konfiguration der grenzüberschreitenden Verwandtschaftsbeziehungen entspricht weitgehend jener der freundschaftlichen Beziehungen (vgl. Cavet/Fehlen/Gengler 2006: 65), was mit Aspekten wie räumlicher Nähe, einer gemeinsamen Sprache, grenzüberschreitenden Arbeitsmarktverflechtungen oder grenzüberschreitender Wohnmigration erklärt werden kann.

Nach dem Einblick in das (ledigliche) Vorhandensein von grenzüberschreitenden persönlichen sozialen Beziehungen gilt es zu bestimmen, inwiefern Freunde/Bekannte und/oder Familienmitglieder in einer Nachbarregion besucht werden.

Das angrenzende Frankreich und Luxemburg werden von den Einwohnern der Großregion SaarLorLux am häufigsten aufgesucht, um Freunde im angrenzenden Ausland zu besuchen (vgl. Tab. 5). Dabei fahren besonders oft Personen aus Luxemburg und leicht abgeschlagen Personen aus Wallonien nach Frankreich, was auf ausgeprägte freundschaftliche Beziehungen zwischen den Einwohnern dieser Gebiete hindeutet.

Die Einwohner der beiden deutschen Bundesländer besuchen Freunde im benachbarten Frankreich vergleichsweise selten, auch wenn hier die Befragten aus dem Saarland mit mehr als doppelt so vielen Besuchen – vermutlich in Lothringen – hervorstechen (vgl. auch Cavet/Fehlen/Gengler 2006: 68; Scholz 2011: 186).

Das Großherzogtum steht ähnlich intensiv im Schnittfeld von Besucherströmen aus allen angrenzenden Regionen, wenngleich die Einwohner der frankophonen Teilgebiete etwas häufiger Freunde im Großherzogtum aufsuchen als die Einwohner der beiden deutschen Bundesländer. Umgekehrt fahren ins angrenzende Deutschland in erster Linie die Einwohner Luxemburgs, um freundschaftliche Beziehungen zu pflegen; weit abgeschlagen folgen Personen aus Lothringen und Wallonien.

Das angrenzende Belgien wird im Vergleich der Teilgebiete am wenigsten aufgesucht für Freundschaftsbesuche. Noch ein Viertel der Einwohner Luxemburgs und noch 10% der Befragten aus Lothringen pflegen dort aktiv freundschaftliche Beziehungen.

Die anhand der Destinationen von grenzüberschreitenden Freundschaftsbesuchen rekonstruierten Mobilitätsströme bestätigen die oben erläuterte räumliche Verteilung von grenzüberschreitenden Freundschaften. Ferner verweisen die grenzüberschreitenden Besuchspraktiken auf eine räumliche Fragmentierung von deutschsprachigen Teilgebieten einerseits und französischsprachigen Teilgebieten andererseits sowie auf die Sonderrolle Luxemburgs für grenzüberschreitende Lebenswirklichkeiten in der Großregion SaarLorLux.

Denn das Großherzogtum wird nicht nur ähnlich intensiv von Personen aller Teilgebiete aufgesucht, gleichzeitig ist die Praktik des Besuchens von Freunden im angrenzenden Ausland unter den Einwohnern Luxemburgs sehr verbreitet (vgl. auch Cavet/Fehlen/Gengler 2006: 68; Scholz 2011: 187).

Grenzüberschreitende Besuche
Foto: C. Wille

Knapp ein Drittel von ihnen besucht Freunde im angrenzenden Frankreich und Deutschland, ein Viertel stattet Freunden im angrenzenden Belgien regelmäßig einen Besuch ab. Dabei zählen die Einwohner mit Luxemburger Nationalität signifikant häufig Personen im angrenzenden Deutschland zu ihren Freunden, die ansässigen Ausländer signifikant häufig in den frankophonen Teilgebieten.

Unterschiede zeigen sich auch, wenn etwa die in Südluxemburg lebenden Einwohner signifikant häufig Freunde im angrenzenden Frankreich besuchen; auf die in Nord- und Ostluxemburg lebenden Einwohner trifft dies aber nur signifikant selten zu (vgl. Wille/Reckinger/Kmec/Hesse 2014).

Mit Blick auf Familienmitglieder im benachbarten Ausland bewegen sich die Besuchspraktiken durchgängig auf einem deutlich niedrigeren Niveau als grenzüberschreitende Freundschaftsbesuche und wiederum wird das angrenzende Frankreich am häufigsten – insbesondere von den Einwohnern Luxemburgs und Walloniens – aufgesucht (vgl. Tab. 5).

Die Place Guillaume II in Luxemburg-Stadt
Foto: C. Wille

Dies weist bereits darauf hin, dass die räumliche Konfiguration der grenzüberschreitenden Familien-Besucherströme denen der Besucher von Freunden/Bekannten weitgehend ähnelt. Jedoch verschiebt sich die Bedeutung des angrenzenden Belgiens, wird es von den Einwohnern Luxemburgs im Rahmen von Familienbesuchen doch genauso oft aufgesucht wie das angrenzende Deutschland.

Dies kann auf die im Großherzogtum ansässigen Ausländer, insbesondere Belgier, rückgeführt werden, da sich bei der Praktik des Besuchens von Familienmitgliedern ebenfalls der im Zusammenhang mit dem Besuch von Freunden/Bekannten herausgearbeitete Unterschied zwischen Luxemburgern und ansässigen Ausländern abzeichnet.

Festgehalten werden kann, dass die Praktik des Besuchens von Freunden/Bekannten und Familienmitgliedern in der Großregion SaarLorLux durchaus verbreitet ist. Es ist aber davon auszugehen, dass angesichts sonstiger grenzüberschreitender Alltagspraktiken sowie Mobilitäten im Kontext von Wohnen und Arbeiten (vgl. Wille 2012: 233ff. und 312ff.) zwischen den Einwohnern der Großregion SaarLorLux mehr grenzüberschreitende persönliche Beziehungen bestehen als in den tatsächlichen Besuchspraktiken zum Ausdruck kommen.

Weiter zeigt sich sowohl hinsichtlich des Vorhandenseins persönlicher Beziehungen als auch der tatsächlichen Besuchspraktiken, dass eine Wohnlage in Grenznähe begünstigend wirkt und Kontakte zu Freunden/Bekannten aus einer Nachbarregion ausgeprägter sind als zu Familienmitgliedern.

Dabei sind Letztere räumlich eher konzentriert, während freundschaftliche Beziehungen breiter gestreut sind. Die räumliche Konfiguration der grenzüberschreitenden Besucherströme insgesamt spiegelt die Bedeutung der in den Teilgebieten üblichen Sprachen wider, wobei Freunde/Bekannte und Familienmitglieder im angrenzenden Belgien eher selten besucht werden und im angrenzenden Frankreich bemerkenswert häufig von den Einwohnern des Saarlandes aufgesucht werden.

Die im Großherzogtum wohnenden Ausländer und Luxemburger spielen sowohl als Freunde/Bekannte und Familienmitglieder als auch mit ihrer ausgeprägten grenzüberschreitenden Orientierung eine wichtige Rolle für grenzüberschreitende persönliche Kontakte und Besucherströme in der Großregion SaarLorLux.