Mittelalterstädte
Spätmittelalterliche Städte (Überblick)
Alain Penny (2010)
Quellen | Links |
Aufgrund von unterschiedlichen natürlichen, politischen und wirtschaftlichen Voraussetzungen lassen sich deutliche Unterschiede in der räumlichen Verteilung und zeitlichen Entwicklung der spätmittelalterlichen Städte in der Großregion feststellen.
In der Karte "Spätmittelalterliche Städte" sind die Siedlungen dargestellt, die im späten Mittelalter, das heißt in der Zeit zwischen dem frühen 13. Jahrhundert und dem Jahr 1500, als Städte bezeichnet werden konnten. Ausschlaggebend dafür ist die Erfüllung einer Reihe von Kriterien, die durch die Definition der mittelalterlichen Stadt vorgegeben werden. Im Gegensatz zu zahlreichen früheren Ansätzen wird hier darauf verzichtet, die Stadtqualität ausschließlich an der Erteilung von Stadtrechten festzumachen. Das Gleiche gilt für andere vermeintlich städtische Merkmale wie etwa die Bevölkerungsgröße, die Benennung als Stadt, die Ummauerung oder die wirtschaftliche Aktivität. Entsprechend den jüngeren Forschungsergebnissen wird die Stadtqualität hier an einem Bündel von erfüllten Kriterien festgemacht. Der entsprechende Kriterienkatalog umfasst 26 städtische Ausstattungsmerkmale und zentralörtliche Funktionen, die allesamt charakteristisch für die Städte des späten Mittelalters in der Großregion sind. |
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Spätmittelalterlicher Belfried von Namur, errichtet 1388/1450http://gr-atlas.uni.lu/index.php/de/articles/si58/mi955#sigProId1c86006866 Foto: © die argelola |
Aufgrund der lückenhaften Quellenlage und der Individualität jeder einzelnen Stadt ist es jedoch nicht erforderlich, alle aufgeführten Kriterien zu erfüllen, sondern lediglich 18, um als Stadt zu gelten (siehe Tabelle). Der Kriterienkatalog enthält folgende Faktoren: die Burg, die Befestigung, der Verwaltungssitz, die handlungsfähige Gemeinde, das Stadtsiegel, der Notar, die Münzstätte, der Zoll oder das Geleit, der Markt, der Jahrmarkt, die Handelsinfrastruktur, das differenzierte Gewerbe, das Tuchgewerbe, die Zunft, die Juden, die Lombarden bzw. die Kawertschen, die Pfarrkirche, das Dekanat, das Stift, das Männerkloster, das Frauenkloster, der neue Orden, der Kreuzritterorden, das Hospital, das Leprosorium sowie die Schule. 41 städtische Siedlungen aus der Großregion erfüllen 18 Kriterien oder mehr. Ihnen kann somit die spätmittelalterliche Stadtqualität bescheinigt werden und sind in der Karte abgebildet. Für die nicht zurückbehaltenen Orte bedeutet dies allerdings nicht, dass sie nicht als Stadt bezeichnet werden können. Sie erfüllen nur nicht die hier festgelegten Mindestanforderungen. |
Die Karte verdeutlicht die ungleichmäßige Verteilung der Städte in der Großregion: Die Mittelgebirgszonen wie die Ardennen waren bis auf wenige Ausnahmen städtefeindliche Gebiete, während sich die Flusstäler als ausgesprochen fruchtbar für die Entwicklung von Städten im späten Mittelalter erwiesen. Als Gemeinsamkeit aller Städte stellt sich heraus, dass sie an Handelsrouten lagen und auf früheren Siedlungskernen aufbauten. Die älteren Städte, die bereits im frühen Mittelalter eine übergeordnete Rolle etwa als Bischofssitz gespielt hatten, erfüllten bereits zu Beginn des späten Mittelalters die Mindestzahl an Kriterien, während die jüngeren Städte sich dank der herrschaftlichen Förderung und der kommerziellen bzw. gewerblichen Tätigkeit im Laufe des Untersuchungszeitraumes zu definitionsgerechten Städten entwickelten. |
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Die ausgewählten Städte mit der Anzahl an erfüllten Kriterien http://gr-atlas.uni.lu/index.php/de/articles/si58/mi955#sigProId85a190cbbd |
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Spätmittelalterliche Kathedrale St. Etienne, Metz, errichtet 1220-1520http://gr-atlas.uni.lu/index.php/de/articles/si58/mi955#sigProIdee1f7ddfc8 Foto: cc Tertulien |
Die zweite Karte enthält 200 kleine Städte des späten Mittelalters. Diese Siedlungen verfügten nicht über genügend urbane Ausstattung und Zentralität, um die volle Stadtqualität zu erreichen und somit als Stadt zu gelten. Sie werden deswegen als kleine Städte bezeichnet. Auch ihre Verteilung im Untersuchungsraum war unregelmäßig: Sie steht, wie bei den Städten, in einem engen Zusammenhang mit dem Naturraum, wobei günstig gelegene Gebiete eine höhere Dichte aufzeigten als etwa gebirgigere Teile der Großregion. |