Wallonien

Eisen- und Stahlerzeugung in den wallonischen Revieren

Paul Thomes, Marc Engels

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Die wallonische Eisen- und Stahlindustrie konzentriert sich auf Liège und auf die Provinz Hainaut, mit dem Zentrum Charleroi. Ein kleines Revier befindet sich zudem in der belgischen Provinz Luxemburg im belgisch-luxemburgisch-französischen Grenzgebiet.

Die drei Reviere, deren Erzbasis lange Zeit die Minette bildete, liegen geographisch relativ weit auseinander und unterscheiden sich in Größe und industrieller Struktur. Die Geschichte der wallonischen Stahlindustrie ist geprägt durch Konzentrationsprozesse, die in der Vereinigung fast aller Standorte in einem einzigen Stahlkonzern, Cockerill-Sambre, im Jahre 1981 gipfelte.

In Liège stand die Wiege der belgischen Stahlindustrie. Der Brite John Cockerill gründete 1817 an der Maas in Seraing einen integrierten Stahlkonzern, der bald mit den modernsten englischen Verfahren Stahl herstellte, Kokereien und Kokshochöfen errichtete und über moderne Walzwerke verfügte. Die Produktpalette reichte von Dampfmaschinen, Lokomotiven bis hin zu Schienen und vielem mehr.

Karte: Eisen- und Stahlindustrie

 

Eisen- und Stahlindustrie

Paul Thomes, Marc Engels, RWTH Aachen

Cockerill besaß in den 1820er Jahren einen beachtlichen technologischen Vorsprung gegenüber anderen kontinentaleuropäischen Herstellern. Das Unternehmen war der wichtigste Schrittmacher der belgischen Industrialisierung, die das Land in den 1830er Jahren zur führenden Industrienation des Kontinents machte.

Um Liège herum entwickelte sich schnell ein tief gestaffeltes Stahlrevier. Ab den 1820er Jahren siedelten sich zahlreiche Stahlerzeuger in den Nachbargemeinden von Seraing, in Ougrée (S.A. Ougrée-Marihaye), in Tilleur (S.A. des Aciéries d’Angleur), in Sclessin und in Grivegnée an. Zwischen 1830 und 1880 entstanden im Lütticher Revier etwa 1.700 Unternehmen, darunter viele Unternehmen der Stahlverarbeitung, des Maschinenbaus und Zulieferer.

Die Cockerill-Werke in Seraing 1850
Quelle: Van der Herten, B. 1995: La Belgique industrielle en 1850, S. 153

Die innovativen Roheisen- und Stahlerzeugungsverfahren – das Bessemer-Verfahren (1855), das Siemens-Martin-Verfahren (1875) und das Thomas-Verfahren (1879) – wurden schnell in Liège eingesetzt. Im Jahr 1913 erzeugten die fünf Stahlhütten der Provinz Liège mit 21 Hochöfen etwa 40% des belgischen Roheisens und Stahls.

In Charleroi konzentrierte sich wie in Liège die Stahlindustrie entlang des Flusses. Die wichtigsten Hütten wie die S.A. Métallurgique de Sambre-et-Moselle oder die S.A. des Laminoirs de la Providence und andere ließen sich in einem etwa 15 Kilometer langen Streifen an der Sambre mit Charleroi als Zentrum nieder.

Ausschlaggebend für die Standortwahl waren darüber hinaus wie andernorts ursprünglich die ausgedehnten Wälder, aus denen Holzkohle gewonnen werden konnte, sowie lokale Erz- und Steinkohlevorkommen. Als man nach der Erschöpfung der örtlichen Erzlagerstätten im letzten Viertel des 19. Jahrhunderts vermehrt Erze einführte, wurde die Flusslage immer wichtiger.

Die Eisen- und Stahlindustrie beider Reviere griff auf Erze aus Namur, die lothringische Minette, aber auch auf spanische Erze zurück. Als Transportwege für die Minette dienten die Sambre und die Maas, aber auch der Eisenbahntransport war von erheblicher Bedeutung.

Um die Erzversorgung zu sichern, erwarben einige belgische Konzerne Erzkonzessionen in Lothringen. Ougrée-Marihaye, Providence und die Société de Musson besaßen vor dem Ersten Weltkrieg mehrere Erzfelder um Longwy, Briey und Nancy (vgl. den Text zu Lothringen). Der Vorteil dieser vertikalen Organisation bestand in der Liefersicherheit. Da die Hochöfen auf ein spezifisches Koks-Erzgemisch eingestellt wurden, verursachte die Umstellung auf andere Erz- oder Kokssorten erhebliche Einnahmeausfälle. Die meisten Hochofenbetreiber sicherten ihre Erzversorgung dennoch über langfristige Lieferverträge.

Das belgisch-luxemburgische Revier unterschied sich deutlich von Charleroi und Liège. Es ist das jüngste der drei Reviere und verdankt seine Existenz alleine der Minette (vgl. auch den Text zu Luxemburg).

Einen direkten Wasserweg zu den Stahlrevieren Liège und Charleroi gibt es nicht, und die Schienenverbindungen waren im 19. Jahrhundert nicht ausreichend ausgebaut.

Deshalb entstanden in den 1870er und 1880er Jahren direkt auf dem Erz Hochöfen und später auch Stahlwerke in Musson, Halanzy und Athus, über Eisenbahn an Luxemburg und Frankreich, nicht aber an Belgien angebunden.

Dort entstanden unabhängig von den anderen belgischen Stahlunternehmen drei Unternehmen, die S.A. des Hauts Fourneaux et Usines de Halanzy, die S. A. Fonderies et Mines de Musson und die Société des Hauts Fourneaux et Aciéries d'Athus.

Eisenwerk der S.A. de l’Esperance, Seraing 1850
Quelle: La Belgique industrielle
Museum Zinkhütter Hof

In seiner Entwicklung blieb dieses Revier hinter den beiden anderen zurück. 1895 produzierte es zwar 20% des belgischen Stahls, jedoch ging dieser Anteil bis zum Ersten Weltkrieg auf fünf Prozent zurück; eine Entwicklung die vor allem auf den Kapazitätsausbau in Liège und Charleroi zurückzuführen ist.

Das Revier holte in der Folge zwar wieder auf, sein Anteil stieg aber nie mehr über 15%. Abgekoppelt von Liège und Charleroi, mit beschränktem Wachstumspotential und wenig weiterverarbeitender Industrie blieb das grenznahe Revier letztlich Objekt der industriellen und finanziellen Strategien der belgischen und luxemburgischen Konzerne.

Kanonenfabrikation bei Cockerill
Quelle: Hist. Postkarte

Die Unternehmen verloren entweder ihre Unabhängigkeit oder erlangten keine große Bedeutung. Athus wurde 1911 durch die S.A. de Grivegnée aus Liège übernommen, es entstand die Athus-Grivegnée. Sie fusionierte 1927 mit der S.A. des Aciéries d'Angleur et des Charbonnages belges de Tilleur zu Angleur-Athus. In der Weltwirtschaftskrise übernahm die S.A. des Hauts Fourneaux et Usines de Halanzy das Werk in Musson und schloss 1939 den Standort Halanzy. Musson bestand bis 1967 als das einzige unabhängige Unternehmen des Reviers.

Angleur-Athus wurde nach dem Zweiten Weltkrieg von Cockerill übernommen. In dem Großkonzern wurden schon früh Pläne geschmiedet, die Hütte in Athus zu schließen. Zwar konnte sie ihre Existenz vorläufig durch die Lizenzproduktion von TOR-Armierungsstahl sichern; der Markteintritt der Importerze und die Wanderung ans Meer, die auch Cockerill vollzog, musste den Standort, dessen einzige raison d’être in der Minette bestand, aber hart treffen. Cockerill stellte schon in den 1960er Jahren die Modernisierung ein – das LD-Verfahren wurde nur in Liège eingeführt – und fuhr die Produktion langsam zurück. 1977 fiel der Entschluss, Athus zu schließen.

Die belgische Stahlindustrie durchlief zwischen 1900 und 1913 einen Prozess der Modernisierung und der Konzentration. Die Zahl der Stahlwerke sank ebenso wie diejenige der dort Beschäftigten, die Produktion verdoppelte sich jedoch nahezu. Auch die Hochofenproduktion stieg durch Investitionen in moderne Anlagen um fast 100%. Im Zentrum stand dabei die Verarbeitung der Minette: Mehr als 90 Prozent des belgischen Stahls wurde im Thomas-Verfahren hergestellt.

Die Stahlproduzenten versuchten konsequent, die vertikale Konzentration voran zu treiben. Am erfolgreichsten war in dieser Hinsicht Cockerill. Der Konzern besaß 1913 Erzgruben, Kohlezechen, Kokereien, Hochöfen, Stahl- und Walzwerke, Konstruktionswerkstätten, Werften, er fertigte diverse maschinen, Lokomotiven und Waffen. Ougrée-Marihaye war ähnlich aufgestellt, baute jedoch keine Maschinen, sondern expandierte in den Bereich der Walzprodukte.

Die S.A. Mines métallurgique de Hainaut verfügte als bedeutendstes Pendant zu den beiden Lièger Unternehmen über ein vergleichbares Portfolio. Alle größeren gemischten Stahlkonzerne waren international orientiert.

Sie besaßen nicht nur Erzkonzessionen, sondern auch Hochöfen, Hütten oder größere Beteiligungen in Luxemburg und Frankreich. Ougrée-Marihaye und Cockerill sollten in den Folgejahren die dominanten Akteure in der belgischen Stahlindustrie werden.

Der Erste Weltkrieg brachte die Stahlindustrie im besetzten Belgien zum Erliegen. Abgeschnitten von den Erz- und Kohlelieferungen – beides ging vorrangig nach Deutschland – mussten die meisten Hütten schließen. 1919 lag die Stahlerzeugung bei unter 20% des Vorkriegsstandes.

Viele der Anlagen waren durch direkte oder indirekte Kriegseinwirkungen zerstört, der Neuaufbau unumgänglich. Mit Hilfe deutscher Reparationen entstanden in Belgien modernste Anlagen, welche die internationale Wettbewerbssituation erheblich verbesserten.

Die Hütte in Ougrée, 1852, Lithographie: Edwin Toove
Quelle: industrie.lu
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Die Stahlindustrie erholte sich relativ schnell: 1929 – auf dem Höhepunkt der Zwischenkriegskonjunktur – produzierte sie 60% mehr Roheisen und Stahl als 1913. Über zwei Drittel des Rohstahls, der Halb- und Fertigprodukte wurden exportiert.

In der Weltwirtschaftskrise wirkten sich die Modernisierungsinvestitionen ebefalls positiv aus. Im Gegensatz zu den konkurrierenden Stahlindustrien anderer Länder – mit Ausnahme von Luxemburg –sank die belgische Stahlerzeugung nicht unter das Niveau von 1913.

Oxygenstahlwerk der ARCELOR in Chertal
Quelle: © Harald Finster, Aachen, finster-stahlart.de
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Einen wichtigen Impuls für das Lièger Revier, der allerdings erst nach dem Zweiten Weltkrieg wirksam wurde, setzte der Albert-Kanal.

Die 1939 eröffnete Wasserstraße von Liège nach Antwerpen beseitigte ein bedeutendes verkehrsinfrastrukturelles Defizit; denn zwischen Liège und Maastricht war die Maas nur eingeschränkt schiffbar.

Mit dem Kanal verfügte Liège nun über einen leistungsfähigen Wasserweg zur Nordsee und zum nordwesteuropäischen Wasserstraßennetz. Die Versorgung mit Erzen und Kohle gestaltete sich wesentlich einfacher und kostengünstiger.

Konzentrationen prägten die belgische Stahlindustrie nach dem Zweiten Weltkrieg.

Zwar wies die belgische Stahlindustrie seit der Jahrhundertwende bereits einen hohen Konzentrationsgrad auf, nach dem Zweiten Weltkrieg änderte sich jedoch der Charakter.

Stand bis 1945 die vertikale Konzentration, also die Vereinigung von Betrieben aller Produktionsstufen in einem Unternehmen im Vordergrund, so ging es seither vornehmlich um die horizontale Konzentration, also die Vereinigung von möglichst vielen Betrieben der jeweiligen Produktionsstufen. Am vorläufigen Ende im Jahre 1981 stand ein einziger, vertikal und horizontal konzentrierter Stahlkonzern, Cockerill-Sambre. 

Der Prozess verlief in zwei Phasen: Zwischen 1955 und 1973/1976 bildete sich in den zwei Revieren Liège und Charleroi jeweils ein dominierender Konzern. In der zweiten Phase, der Stahlkrise, verschmolzen diese beiden Konzerne.

In Liège begann 1955 die Entwicklung spektakulär mit der Fusion der beiden größten belgischen Stahlerzeuger S.A. Cockerill und S.A. Ougrée-Marihaye zu Cockerill-Ougrée. Mit einem Schlag entstand der größte belgische Stahlproduzent mit einem Marktanteil von 40%. Da beide Unternehmen sich in unmittelbarer Nachbarschaft befanden, waren die Rationalisierungsmöglichkeiten evident.

Elf Jahre später expandierte Cockerill-Ougrée nach Charleroi und verleibte sich die Forges de la Providence in Marchienne ein. 1970 übernahm Cockerill-Ougrée-Providence die S.A. Métallurgique d’Esperance-Longdoz, die sich mit dem Bau eines neuen Stahlwerkes in Chertal bei Lüttich finanziell übernommen hatte.

Der nun wieder als Cockerill firmierende Konzerne kontrollierte somit, abgesehen von einem Walzwerk in amerikanischem Besitz, die gesamte Produktion des Lütticher Reviers.

In Charleroi verlief die Entwicklung etwas weniger dynamisch. 1955 entstand aus den Usines Métallurgique du Hainaut und der Société Métallurgique de Sambre-et-Moselle die Hainaut-Sambre, 1966 fusionierten die Aciéries et Minières de la Sambre und die Forges de Thy Marcinelle zu Thy Marcinelle Monceau (TMM).

Cockerill Sambre, Hochofen B in Ougrée, erbaut 1962, vorübergehend stillgelegt 2009.
Quelle: © Uwe Niggemeier, stahlseite.de
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Zwischen 1973 und 1976 brachte der belgische Finanzinvestor Albert Frère TMM und Hainaut-Sambre unter seine Kontrolle – er beherrschte damit, abgesehen vom Cockerill-Werk Marchienne, das Revier um Charleroi. Frère plante, die Restrukturierung des Produktmix und die Modernisierung der Stahlindustrie.

Dahinter standen unternehmerische Strategien und staatliche, industriepolitische Interessen. In einer Phase, in der die Nachfrage nach Stahl und Stahlerzeugnissen kaum zu decken war, mussten und konnten die Unternehmen große Investitionen tätigen. Die Übernahme von Konkurrenten brachte nicht nur Synergieeffekte, sondern bot auch die Möglichkeit, ältere, weniger effiziente Anlagen vom Markt zu nehmen.

 

Ougrée-Marihaye. Fusionen und Beteiligungen bis 1959
Quelle: Prêcheur 1959

Der Staat wiederum hatte ebenfalls Interesse an schlagkräftigen Unternehmen, welche diese Investitionen stemmen und sich auf dem Weltmarkt behaupten konnten. Ein wichtiges Projekt in dieser Hinsicht war 1962 die gemeinsame Beteiligung von Cockerill und der luxemburgischen ARBED an SIDMAR, einem zukunftsfähigen küstennahen neuen Stahlkomplex in Gent.

Als Folge dieser Politik konnte die belgische Stahlindustrie ihre Kapazitäten erheblich ausweiten. Bereits 1955 lag die produzierte Stahlmenge um 140% über dem Niveau von 1913 und war damit stärker gestiegen als in Frankreich oder Deutschland. 1955 stellte die Schwerindustrie vier Mio. Tonnen Stahlprodukte her; bis 1973 verdreifachte sich die Menge.

Die Stahlkrise traf auch die belgische Stahlindustrie mit voller Wucht. Das Produktionsprogramm bestand zu fast 50 Prozent aus Bewehrungsstählen und Stabstählen sowie aus Blechen – und die Nachfrage nach genau diesen Stahlerzeugnissen brach abrupt ab.

Die Überproduktion führte zu einem rapiden Preisverfall. Die belgischen Stahlkonzerne gerieten in eine existenzielle Notlage, die Cockerill 1975/1976 sogar zum Verkauf der SIDMAR-Anteile zwang.

Die strukturellen Probleme der zwei Stahlkonzerne traten in der Krise in aller Deutlichkeit ans Tageslicht: TMM und Hainaut-Sambre fanden keine Abnehmer mehr für ihre Bewehrungs- und Stabstähle. Cockerill hingegen litt unter seiner schieren Größe. Die Fusionen hatten eine unübersichtliche Menge von Betrieben in den Konzern gebracht, ohne dass notwendige und beabsichtigte Rationalisierungen durchgeführt worden waren.

Schließlich wurde die Rettung der belgischen Stahlindustrie zur Aufgabe des Staates. Rationalisierung, Kosteneinsparung und Kapazitätsrückbau standen wie überall in Europa auf der Agenda, ebenso wie die Versuche der Stahlunternehmen, ihre Gewinne zu privatisieren, die Verluste aber zu sozialisieren.

Der belgische Staat konnte nicht umhin, die Krisenauswirkungen mit massiven Subventionen zu dämpfen. Eine kohärente Strategie, wie die wirtschaftliche Gesundung umzusetzen sei, fehlte jedoch.

Auch die Fusion von Cockerill, TMM und Hainaut-Sambre zu Cockerill-Sambre im Jahre 1981 löste das Kernproblem nicht: zu viele, zu kleine, teilweise veraltete Standorte sowie ein problematisches Produktportfolio.

Regionalpolitische Probleme traten hinzu: Nicht nur musste ein gerechter Ausgleich zwischen Charleroi und Liège geschaffen werden, sondern die Flamen mit ihrer hochmodernen Stahlindustrie (SIDMAR) achteten auch sehr auf die Wahrung ihrer Interessen. Am Ende stand die Verstaatlichung von Cockerill-Sambre.

Cockerill Sambre, Hochofen Nr. 6 in Liège, stillgelegt 2008
Quelle: © Harald Finster, Aachen, finster-stahlart.de external link

Die Lösung der drängendsten strukturellen Probleme wurde 1982/1983 zusammen mit der ARBED, die sich in einer ähnlichen Situation befand, im sogenannten Gandois-Plan gefunden.

Der belgische Konzern konzentrierte seine Produktion auf die modernsten Werke in Chertal und Marchienne. Er schloss die Werke in Seraing und Valfil, seine gesamte Formstahlproduktion sowie die Sauerstoffkonverter in Seraing und Montaigne (Charleroi).

 

Luftbild der Hütte in Athus
Quelle:
industrie.lu external link Fusionen und Übernahmen der Hütte in Athus, 1872-1977
Quelle: J.-M. Yante 1997

Cockerill-Sambre verfügte nur noch über drei Stahlwerke und vier Hochöfen mit einer Belegschaft von insgesamt 15 000 Arbeitern und Angestellten. Im Gegenzug legte die ARBED ihre Stauerstoffkonverter und das Walzwerk in Dudelange still.

Dieser radikale Einschnitt sicherte das Überleben der belgisch-luxemburgischen Stahlindustrie, bedeutete allerdings nur einen weiteren Schritt auf einem langen Weg von Stilllegungen und Arbeitsplatzabbau.

1998 kaufte die französische USINOR den belgischen Stahlkonzern. Cockerill-Sambre hatte nach einem starken Partner gesucht, um sich auf dem Weltmarkt behaupten zu können.

USINOR stieg mit der Übernahme zu einem der größten Stahlkonzerne der Welt auf und erklärte sich bereit, massiv in Belgien zu investieren. Letztlich entfielen aber auch mehr als 50% der verbliebenen Arbeitsplätze (vgl. Lothringen).

Die internationalen Stahlkonzerne, ob USINOR oder später Arcelor und ArcelorMittal trafen ihre Standortentscheidungen mit der Perspektive auf den Weltmarkt, nicht nach regionalen oder nationalen Gesichtspunkten.

Als Stahlerzeuger spielte Belgien in diesem Kalkül eine untergeordnete Rolle: Die letzten Hochöfen in Liège liegen im Jahre 2010 vorläufig still.

ArcelorMittal betreibt momentan zwei Hochöfen in Gent; der letzte aktive Hochofen in Charleroi gehört zum unabhängigen Schweizer Konzern Dufferco S.A.

Die belgische Stahlproduktion sank von 12,6 Millionen Tonnen (1970) über 11,4 Millionen Tonnen (1990) auf 5,6 Millionen Tonnen im Jahre 2009. Im gleichen Zeitraum rutschte Belgien vom neunten Platz der weltweiten Stahlerzeuger auf den 23. Rang. 

Panorama von Charleroi-Marcinelle
360° Panorama
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Quelle: © Harald Finster, Aachen, finster-stahlart.de external link
 
 

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Externe links 


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Finster, H.: Panorama-Ansicht Charleroi-Marcinelle external link