Glas und Kristall

Glas- und Kristallerzeugung (Überblick)

Eva Mendgen (2008)

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Einführung


Die Karte zeigt die Verteilung der aktuellen und der wichtigsten ehemaligen Glashütten der Großregion, aber auch erhalten gebliebene Glasmachersiedlungen, Villen der Glasfabrikanten usw.

Überblick


Die Kunst des Glasmachens gehört seit dem Beginn des 15. Jahrhunderts zu den wichtigsten und erfolgreichsten Industriezweigen der Großregion. Die für die Glasherstellung benötigten Rohstoffe waren im Überfluss vorhanden, die jeweiligen Landesherren förderten die Ansiedlung der Glasmacher.

Von Südlothringen aus verbreitete sich die Kunst des Glasmachens in Richtung Norden, an die Saar und nach Wallonien.

Eine besondere Herausforderung für Regierende, Unternehmer (Investoren) und Arbeiter bedeutet(e) die geopolitische Lage der Glashütten im Herzen Europas, zwischen deutschem und französischem Einflussbereich.

Trotz der durch zahlreiche Kriege und Grenzverschiebungen erschwerten Bedingungen entstanden am Westrand der Vogesen, im Bitscher Land, an der Saar und in Wallonien ab dem 18. Jahrhundert einige der wichtigsten, größten und innovativsten Glas- und Kristallglashütten Europas. Einige von ihnen setzen bis heute weltweit Qualitätsmaßstäbe in Handwerk und Design.

Karte: Glas- und Kristallerzeugung

Glas- und Kristallerzeugung

Eva Mendgen, Saarbrücken

Urkunde zur Bewilligung einer Glashütte
Quelle: © die argelola regiofactum

Wesentliche Merkmale der Glasindustrie der Großregion sind der Wissens- und Kapitaltransfer über die häufig wechselnden nationalen Grenzen hinweg, die Erfindung des französischen Bleikristalls 1784 in Saint-Louis-lès-Bitche und seine erfolgreiche Verbreitung in der Region (vor allem in Lothringen, an der Saar und in Wallonien), sowie die enge Verquickung zwischen Glasindustrie und Steinkohlenbergbau.

Leider ist die Geschichte der Glashütten bislang nur in Einzelfällen erforscht, meistens interessiert nur ein Unteraspekt, wie z.B. die Sozial- und Technikgeschichte, oder auch eine bestimmte Epoche ("Art Nouveau").

Das eigentlich Bemerkenswerte ist jedoch die vitale, grenzübergreifende Wirtschafts- und Kulturgeschichte, die "europäische" Alltags- und Industriekultur.

Die heute noch erhaltenen, authentisch gebliebenen Glasmacherdörfer, Arbeitersiedlungen, Fabrikgebäude, Schlösser, Unternehmervillen belegen den historischen Stellenwert der Glasindustrie, ebenso wie die umfangreichen öffentlichen und privaten Glassammlungen und Archive. In ihnen spiegelt sich unter anderem eine verloren gegangene Produktvielfalt.

Die Glashütten der Großregion fertigten vom künstlerischen Unikat bis zum Massenprodukt, vom mundgeblasenen und gepressten bis zum mechanisch hergestellten (Kristall)glas, vom Kunstglas bis zum Flachglas so gut wie alles.

Die starke Nachfrage und die große Konkurrenz in der Region führten ab dem 19. Jahrhundert zur Spezialisierung der Unternehmen auf bestimmte Produkte wie Uhren- oder Brillenglas, auf Luxusprodukte aus Kristallglas oder neue Produktlinien, wie die "verrerie d’art".

Gallés Glasofen auf der Weltausstellung von 1900
Quelle: G. Pazaurek 1901

Bauglasindustrie in Luxemburg 2006
Quelle: © die argelola regiofactum 

Das Glasmachen ist auch heute noch in der Großregion lebendig, auch wenn in der 2. Hälfte des 20. Jahrhunderts ein Umstrukturierungsprozess eingesetzt hat. Überlebt haben im Wesentlichen die größten und berühmtesten  Kristallerien, hinzugekommen sind modernste Industriebetriebe, beide gehören heute im Allgemeinen zu globalen Konzernen.

An einigen Universitäten der Region wird der Werkstoff Glas erforscht, gleichzeitig kann man aber auch das traditionelle Handwerk erlernen und die einstigen Prestigeprodukte der Glasmanufakturen um 1900, die Glaskunstobjekte des Art Nouveau, in Sammlungen bewundern.

Die jahrhundertealte Tradition der Glaskunst belegt die Existenz eines gemeinsamen Kulturraumes der Großregion, der sich vor allem auch über die europäische Industrie- und Alltagskultur definiert. Sie könnte aber auch Verbindungen zu anderen Regionen Europas bieten, Überschneidungen mit anderen Industrien und inhaltliche, ideelle und ästhetische Anknüpfungspunkte für einen nachhaltigen regionalen und internationalen Tourismus.

Sinnvoll wäre es, dieses besondere Kapitel der Industriekultur zum Beispiel als "Glasstraße" oder als Teil einer "Route du Feu" in den Kontext der Großregion und Europas zu stellen – was hiermit zumindest von Seiten der Forschung getan sei.

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