Gorze

Der frühmittelalterliche Leihebesitz des Klosters Gorze

 

Brigitte Kasten, Jens Schäfer

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Kurzer Abriss der Geschichte
Die Anfänge des Klosters Gorze werden durch zwei Urkunden bestimmt, die im Chartular überliefert sind. Am 20. Mai 748 (Urkunde 1) stattete Bischof Chrodegang von Metz das von ihm gegründete Kloster mit Gütern der Metzer Kirche aus. Am 18. Mai 757 (Urkunde 4) verkündete er auf der Synode von Compiègne die Gründung des Klosters.

Chrodegang entstammte einer adeligen Familie aus dem Haspengau (Hesbaye). Vor seiner Weihe zum Bischof von Metz 742 war er als referendarius am Hof des Hausmeiers Karl Martell (†741) tätig. Nach dem Dynastiewechsel gehörte er unter dessen Sohn König Pippin zu den engen Vertrauten des Königs und zur Spitze des fränkischen Episkopats. Er reiste in Pippins Auftrag 753 zu Verhandlungen mit Papst Stephan II. nach Rom, der ihn 754 zum Erzbischof erhob. Chrodegang starb am 6. März 766 und wurde im Kloster Gorze bestattet.

Schon der Gründer versuchte von Gorze aus, einen Klosterverband aufzubauen und entsandte Mönche in die Klöster Gengenbach und Lorsch. Zum Mittelpunkt einer Reformbewegung wurde es dann unter Bischof Adalbero I. (929-954), als diese sich von Gorze aus auf andere lothringische Klöster ausbreitete. Seit dem 13. Jahrhundert verlor Gorze mehr und mehr an Bedeutung. Während der Religionskriege wurde es 1552 zerstört. Bis zur Auflösung im 18. Jahrhundert bestand es nur noch aus einer kleinen Gemeinschaft.

Karte: Leihebesitz der Klöster Weißenburg und Gorze

 

Karte: Leihebesitz der Klöster Weißenburg und Gorze

Brigitte Kasten, Jens Schäfer, Universität des Saarlandes

Quellenbasis
Als Grundlage der Untersuchung der Besitzverhältnisse des Klosters Gorze dient das im 12. Jahrhundert entstandene Chartular, das d’Herbomez 1898 edierte. Es enthält 213 Abschriften von Urkunden, davon sind 44 Prekarien. Die älteste aufgenommene Urkunde datiert auf den 20. Mai 748, die jüngste um 1173. Das Chartular wurde somit in der Amtszeit des Abtes Peter (1169-1203) abgefasst. Die Zeugenliste der Urkunde 195 enthält einen Godefridus, der als cartularius bezeichnet ist, und somit als Schreiber angesehen werden kann.

Das Chartular liegt heute nicht mehr im Original vor. Die Auswertung der Besitzverhältnisse erfolgt ausschließlich auf Grundlage der für die Karte relevanten, also identifizierbaren Orte und den in den Tabellen zu Schenkungsbesitz und verliehenem Besitz zusammengetragenen Informationen. Berücksichtigt werden die Anzahl der Güter sowie die Anzahl der Orte, wo sich diese Güter befanden. Nicht berücksichtigt werden die Größe, die Nutzungsart und die landwirtschaftliche Einheit der Güter.

Bischof Chrodegang von Metz, Gründer des Klosters Gorze, Kirchenfenster Saint-Symphorien, Metz
Quelle: Paroisse Saint Symphorien, Metz
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Grundbesitz
Die Grundausstattung
In seiner Gründungsurkunde vom 20. Mai 748 stattete Chrodegang das Kloster mit Gütern in insgesamt 18 Orten aus, von denen sich heute noch 15 lokalisieren lassen. Sie verteilen sich zu großen Teilen auf den Scarponagau (Scarponois), aber auch an der unteren Mosel und im Wormsgau erhielt Gorze Besitz.

Mit Auconville, Bussières, Soiron, Tantelainville und Jouy-aux-Arches lagen einige Güter in direkter Nähe zu Gorze, in Scy-Chazelles wurden dem Kloster an zwei Stellen Weinberge geschenkt. Betrachtet man den Gesamtbesitz Gorzes in 195 nachweisbaren Orten, macht die Gründungsausstattung 7,6 Prozent aus.


Nah- und Fernbesitz

Zu differenzieren gilt es darüber hinaus zwischen Nah- und Fernbesitz. Als Fernbesitz gilt alles, was nicht innerhalb einer Tagesreise zu erreichen, also weiter als 25-40 km entfernt war. Zur Unterscheidung in Nah- und Fernbesitz wird im Folgenden ein Radius von 30 km festgelegt. Mithilfe des Fernbesitzes wurde der Bedarf an spezifischen Produkten wie z.B. Wein, Öl oder Salz abgedeckt.

Wenn man die räumliche Verteilung der geschenkten Güter betrachtet, lagen 59 von 144 auf der Karte verzeichneten Orten innerhalb eines Umkreises von 30 km. Somit können 41 Prozent der Güter als Nahbesitz bezeichnet werden. 85 Orte und damit 59 Prozent des Gesamtbesitzes waren demnach Fernbesitz. Ein umgekehrtes Bild ergibt sich bei der räumlichen Verteilung der Orte, in denen durch Schenkungen mit aufschiebender Wirkung oder durch Leiheverträge das Land dem Kloster nicht unmittelbar zur Verfügung stand.  Mit 55 Prozent der Güter lagen mehr als die Hälfte innerhalb (48 von 88 Orten), 45 Prozent (40 von 88 Orten) außerhalb eines Umkreises von 30 km um das Kloster herum.

Schenkungsbesitz – Leihebesitz
Exemplarisch sollen wiederum die ersten Jahrzehnte nach der Gründung  bis ca. 820 hinsichtlich des Erwerbs von sofort verfügbarem Grundbesitz und von ausgetanem Leihegut miteinander verglichen werden. Von der ersten Prekarie von 761 bis zur letzten im Jahre 815 waren 33 Güter nur in der indirekten Verfügungsgewalt Gorzes. Dem stehen 51 Erwerbungen durch Schenkungen gegenüber. Dies bedeutet, dass der Anteil des verliehenen Gutes 39 Prozent am Gesamtbesitz in diesem Zeitraum ausmacht.

Im Jahr 863 evaluierte Bischof Adventius von Metz (858-875) das Kloster Gorze als Wirtschaftsbetrieb. Das Ergebnis fiel gut aus und er bescheinigte, dass die Prekarien, die Gorze zu diesem Zeitpunkt noch hatte, wirtschaftlich nützlich seien. Vor 863 lassen sich in 16 Urkunden Leihegeschäfte nachweisen, die insgesamt 53 verliehene Güter nennen.

Beachtet man die Laufzeit der Verträge, kann man zumindest bei fünf Urkunden (44, 51, 52, 56, 58) davon ausgehen, dass der ausgegebene Besitz noch nicht an das Kloster zurückgefallen war. Für das Jahr 863 kann man demnach errechnen, dass von den einst verliehenen Besitzungen noch 27 als verliehen angesehen werden müssen. Dem stehen 91 Güter (65 durch Schenkungen, 26 zurückgefallene Prekarien) unter der direkten Verfügungsgewalt des Klosters gegenüber.

Somit machte im Jahr 863 der zur Leihe ausgegebene Besitz rund 23 Prozent des Gesamtbesitzes aus. Diese Ergebnisse stehen im Einklang mit dem Anteil der Leiheurkunden am gesamten Urkundenbestand, der, wie oben erwähnt, ein Viertel ausmachte.
Ehemalige Abteikirche Gorze, 12. Jh.
Foto: cc
external link F. Tellberg 2011

Dass der Rückfall der verliehenen Güter nicht selbstverständlich erfolgte, lässt sich an Einzelfällen erkennen. Im Jahr 769 schenkte Bischof Angilram von Metz (Urkunde 13, Möglichkeit der Fälschung nach Puhl) u.a. die villa Foug, die Fredelaig, ein Vasall König Karlmanns, als Prekarie innehatte. Nach dem Tod des Fredelaig, so verfügte Angilram, sollte das Gut an das Kloster fallen.

Die Urkunde 72 des Chartulars von Gorze von 879 gibt Auskunft darüber, dass erst König Ludwig III. der Jüngere von Ostfranken nach Bitten des Abtes Walo die villa Foug dem Kloster restituiert hat. Daraus lässt sich schließen, dass nach dem Tod des Fredelaig das Gut nicht an Kloster zurückgeben worden war und das Kloster mehr als 100 Jahre auf dessen direkte Nutzung warten musste. Der Besitztitel musste offensichtlich gegen die Erben des Fredelaig behauptet werden. 

Schenkungsbesitz und verliehener Besitz des Klosters Gorze von 741 bis 820
Grundlage: Eigene Auswertung

Ein vergleichbarer Fall lag im Jahr 959 vor, als Herzog Friedrich von Oberlothringen einen Streit zwischen dem Kloster und der Enkelin eines Prekators schlichtete.
Diese Beispiele sollen zeigen, welche Schwierigkeiten darin liegen können, die Wirtschaftskraft eines Klosters allein anhand seiner Besitztitel zu definieren.

Es ist notwendig, das verliehene Gut bei derlei Überlegungen gesondert zu betrachten. Weil dieses dem Kloster nicht zur Verfügung stand, verzichteten etliche Klostervorsteher darauf, in den Urbaren die Prekarien und die sonstigen verliehenen Güter zu verzeichnen.

Zusammenfassend lässt sich feststellen, dass die Leihverträge mit dem Ende des 9. Jahrhunderts an Bedeutung verloren und sich damit der Anteil des verliehenen Gutes am Gesamtbesitz verminderte. Für das Kloster bedeutete dies eine Steigerung der Wirtschaftskraft, da der hohe Anteil an verliehenem Besitz zurückging.