Tranchot-Müffling-Karte
Tranchot-Müffling-Karte (1801-1828)
Malte Helfer (2009)
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Kartenaufnahme der Rheinlande, begonnen im Auftrage des französischen Kriegsministers an das Dépot de la Guerre unter Oberst Tranchot, wiederaufgenommen und fortgeführt unter dem preußischen Generalmajor von Müffling
Die Tranchot-Müffling-Karte deckt als historische topographische Karte aus dem frühen 19. Jahrhundert den größten Teil des deutschen Anteils der Großregion SaarLorLux ab. Gemeinsam mit der Cassini-Karte für den französischen Bereich sowie der Ferraris-Karte für den wallonischen Teil sowie das Großherzogtum Luxemburg kann so die Situation fast der gesamten Großregion SaarLorLux vor den umwälzenden Veränderungen durch die industrielle Revolution dargestellt werden. Zur Erläuterung der Tranchot-Müffling-Karte für den GR-Atlas werden hier im wesentlichen Auszüge aus Carl, Marie-Luise 2004: „Der Hintergrund zur Kartenaufnahme der Rheinlande durch Tranchot und von Müffling im Spiegel einer Inschrift“, großenteils basierend auf Schmidt, R. 1973 sowie Effertz, P. 1990, zusammengestellt. |
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Beginn der Kartenaufnahme unter französischer Regie durch Tranchot 1801-1814 1793 übernahm General Calon die Leitung des Dépot und erweiterte das Personal um qualifizierte Zivilisten und Gelehrte. Auf sein Betreiben wurde dem Dépot aufgetragen, die Arbeiten an der Cassini-Karte fortzuführen; auch die Druckplatten der Ferraris-Karte wurden dem Dépot ausgehändigt. Calon schlug schon 1794 vor, die Cassini- und Ferraris-Karten nach Osten, also zum Rheinland hin fortzuführen. Nach der Besetzung der linksrheinischen Gebiete durch französische Revolutionsheere im Jahre 1794 wurden Anfang 1798 die vier Départements Roer, Rhein- und Mosel, Saar und Donnersberg mit den Hauptorten Aachen, Koblenz, Trier und Mainz auf Veranlassung des französischen Justizministers eingeteilt, obwohl das Land staatsrechtlich erst ab dem Frieden von Lunéville (1801) zu Frankreich gehören sollte. |
Für diese Gebiete gab es keine mit der Cassini-Karte vergleichbare Kartengrundlage, wie sie die in die linksrheinischen Gebiete versetzten französischen Beamten zu schätzen gelernt hatten. Auch für die Verteidigung der Rheingrenze und die Organisation des Nachschubes aus dem Hinterland wurde eine vergleichbare Karte dringend benötigt. 1801 ordnete Napoleon die Errichtung eines topographischen Büros für die vier linksrheinischen Départements an, das eine vollständige Kartenaufnahme dieses Gebietes ausführen sollte. Jean Joseph Tranchot (1752-1815) erhielt 1801 vom Kriegsminister den Auftrag, eine Karte im gleichen Maßstab wie die Cassini-Karte zu erstellen. Dieser sah über die der Cassini-Karte entsprechende kartographische Darstellung der Topographie hinaus auch die exakte Darstellung der kleinsten Fußwege sowie der Kulturarten und der verwaltungsmäßigen Einteilung der aufzunehmenden Gebiete vor. Ein Ausschuss des Depots erarbeitete bis 1803 verbindliche Richtlinien über die Kartenherstellung für alle Dienststellen (Ponts et Chaussées, Mines, Forêts, Cadastre, Génie, Marine et Colonies). Neue Geräte und Techniken für die Kartenerstellung wurden entwickelt. Die anfangs parallel durchgeführte begleitende statistische Landesaufnahme zur Verifizierung der wirtschaftlichen Möglichkeiten der Rheinprovinzen wurde 1810 wegen des hohen Aufwandes aufgegeben. |
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Beispiel für ein deutsches Blatt: http://gr-atlas.uni.lu/index.php/de/articles/ge57/tr79?task=view&id=759#sigProId7b46a496da Blatt 260 Völklingen Quelle: www.warndt.eu |
Als Grundlage für diese Arbeiten legte Tranchot 1801-09 ein Dreiecksnetz über das Gebiet westlich des Rheins, das sich an das um 1740 von Cassini für die Carte de France entwickelte rechtwinklige Koordinatensystem mit Paris als zentralem Bezugspunkt anlehnte. Es wurde im Laufe der Bearbeitung durch nachgeordnete Netze ergänzt. Nach den Feldaufnahmeblättern wurden die eigentlichen Kartenblätter mehrfarbig gezeichnet. Da die Karten militärischen Zwecken dienten, war neben der Lage der Siedlungen, dem Lauf der Flüsse und der Waldbedeckung vor allem auch der Anstieg des Geländes eine für die damalige Kriegstechnik wesentliche Information - wichtiger als die Höhe über dem Meeresspiegel. Nachdem anfangs von dem alten Maßstab von 1:14.400 ausgegangen worden war, führte das Dépot de la Guerre 1802 als erste Institution für alle seine Aufnahmen die metrischen Maßstäbe verbindlich ein, der Maßstab für die Karte wurde auf 1:10.000 festgesetzt. Als Napoleon 1804 den geringen Fortschritt der Karte kritisierte, beschloss man, die noch anzufertigenden Karten im Maßstab 1:20.000 anzulegen. Ab 1810 musste bei der Kartenaufnahme der 4 Rheindepartements immer mehr improvisiert werden. Mitarbeiter wurden abgezogen oder fielen im Krieg. Muriel, der kommissarische Leiter des Dépot, riet 1813 Tranchot, noch bestehende Lücken bei der Neuaufnahme des Saardepartements möglichst durch bestehende Katasterpläne zu überbrücken, was anscheinend auch realisiert wurde. 1814, als die Aufnahme zu drei Vierteln fertig gestellt war, erhielt Tranchot den Befehl, sein Büro in Trier aufzulösen und das gesamte Material nach Paris zu bringen. |
Fortführung unter preußischer Regie durch v. Müffling 1814-1828 In den deutschen Ländern war die wissenschaftliche Geodäsie Ende des 18. Jh. weit weniger entwickelt als in Frankreich. Bis Anfang des 19. Jh. wurden Karten in Preußen nur nach Bedarf aufgenommen, so dass weitgehend zusammenhanglose Kartenwerke unterschiedlicher Qualität entstanden. Eine dem französischen Dépot de la Guerre vergleichbare Organisation war um die Jahrhundertwende in Preußen nicht vorhanden. 1772 übertrug Friedrich II. dem 1665 gegründeten Generalquartiermeisterstab die topographische Landesaufnahme, die personelle Ausstattung blieb allerdings dürftig. 1808 entstand durch Umorganisation das Kriegsdepartement, dessen Generalstab die Herstellung und Verwaltung militärischer Karten und Pläne übernahm. 1816 erreichte General von Grolman, dass der Generalstab erstmals eine eigene Einrichtung für die Durchführung der Landesvermessung erhielt. Es wurde gängige Praxis, dass junge Offiziere eine gewisse Zeit ihrer Ausbildung in den praktischen Arbeiten der Landesaufnahme unterrichtet wurden. |
Der Befreiungskrieg brachte ein Ende der topographischen Aufnahmearbeiten durch die französischen Offiziere Tranchots. Nach der Besetzung der Rheinprovinzen durch Preußen und dem Sturz Napoleons 1814 wurde Freiherr Karl v. Müffling (1775-1851), der vorher am Triangulationsnetz der Lecoq’schen Karte für Westfalen gearbeitet hatte, mit der Fortsetzung der Vermessungsarbeiten betraut. Er bemühte sich umgehend um die Herausgabe der Tranchot-Karten, da die Karten Cassini, Ferraris und Le Coq, alle im Maßstab 1:86.400, eine Lücke zwischen Mosel, Rhein und Maas ließen. Da Frankreich die Karten nicht herausgab, entwarf v. Müffling einen eigenen Plan zur Aufnahme des linken Rheinufers und der noch nicht aufgenommenen Länder bis nach Thüringen. Der preußische König unterstützte das Vorhaben, das in seiner Vorbereitung jedoch zunächst durch den Krieg des Jahres 1815 unterbrochen wurde. Durch den Wiener Kongress und einige Folgeverträge wurden die Rheinlande und Westfalen Preußen zugeschrieben. Frankreich musste die Tranchot-Karten nun doch an Preußen abtreten. Von Müffling war begeistert von der hohen Qualität der Arbeiten Tranchots und seiner Mitarbeiter. Die von den professionellen französischen Ingenieur-Geographen angefertigten Karten waren erheblich genauer und detaillierter als jene, die die preußischen Offiziere erstellten, die nur vorübergehend bei der Vermessung Dienst taten. Auch die von den preußischen Offizieren anschließend aufgenommenen restlichen Kartenblätter der Tranchot-Müffling-Karte, die nun auch auf die rechtsrheinischen Gebiete ausgedehnt wurde, unterscheiden sich deutlich von den französischen Blättern, da sie nicht deren Feinheit und Detailreichtum besitzen. |
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Von Müffling verfeinerte die bis dahin in den preußischen Karten verwendeten Lehmannschen Schraffen, die mittels der Strichstärke die für die Militärs wichtige Steilheit des Geländes in 5°-Schritten darstellten. Von Müffling ergänzte das Prinzip durch punktierte, gerissene und geschwungene Linien im weniger steilen Gelände (Müfflingsche Schraffen), wodurch die Karten eine hohe Geländeplastizität erhielten und die Böschungswinkel noch besser ablesbar wurden. Von Müffling trat 1819 die Nachfolge General Grolmans als Leiter aller militärischen Vermessungen in Preußen an und beteiligte sich daher nicht mehr an der Kartenaufnahme, er behielt aber die Gesamtleitung bis zum Abschluss des Projektes 1828. 1821 gab er eine bis dahin fehlende Instruktion für die topographischen Arbeiten des Königlich Preußischen Generalstabes heraus, die für über 100 Jahre Gültigkeit behielt. Anfangs wurden diese Karten als streng vertrauliches Militärgeheimnis gehütet. Nachdem aber von Seiten der Wirtschaft immer dringender eine Freigabe der Karten verlangt wurde, entschloss man sich ab 1868, die Karten zu vervielfältigen und zu veröffentlichen. |
Albrecht, O. 1980a: General Freiherr von Müffling und die Kartenaufnahme der Rheinlande 1814-1828. In: Militärgeographischer Dienst der Bundeswehr; Bonn
Albrecht, O. 1980b: General Karl Wilhelm von Grolman der organisatorische Begründer der Landesaufnahme des preußischen Generalstabes. In: Militärgeographischer Dienst der Bundeswehr; Bonn
Augoyat, A. M. 1822: Notice sur M. Maissiat, Chef d'Escadron au Corps royal des ingénieurs-géographes militaires, suivie de notices sur la Carte des ex-quatre Départemens réunis de la rive gauche du Rhein et sur M. Tranchot, Colonel au Corps royal des Ingéniers-géogr. Militaries; Paris
Effertz, P. 1990: Die Kartenaufnahme der Rheinlande durch Tranchot im Spannungsfeld zwischen wissenschaftlichen und politischen Interessen. In: Rheinische Vierteljahrsblätter; Jahrgang 54, Bonn, Seite 211-239
Kloeffler, M. 2000: Vermessungswesen in der Ausbildung und Praxis der preußischen Offiziere im frühen 19. Jahrhundert. In: Brohl, E. (Hrsg): Militärische Bedrohung und bauliche Reaktionen – Festschrift für Volker Schmidtchen, Deutsche Gesellschaft für Festungsforschung e.V., Marburg
Müffling, F. C. F. Freiherr v. 1816: Geschichte der Rheinvermessung; in: Zeitschrift für Astronomie und verwandte Wissenschaften, Tübingen 1818, 6. Jahrgang, Seite 33-48
Müffling, F. C. F. Freiherr v. 1851: Aus meinem Leben, Berlin
Müffling, F. C. F. Freiherr v. 1855: Auszug aus den hinterlassenen Papieren des Generalfeldmarschalls Freiherrn von Müffling; in: Beiheft zum Militairwochenblatt für Juli 1855, Berlin, S. 25-42
Müller-Miny, H. 1975: Die Kartenaufnahme der Rheinlande durch Tranchot und v. Müffling, 1801 – 1828; Teil 2 - Das Gelände - Eine quellenkritische Untersuchung des Kartenwerkes, Köln
Schmidt, R. 1973: Die Kartenaufnahme der Rheinlande durch Tranchot und v. Müffling, 1801 – 1828; Teil 1 - Geschichte des Kartenwerkes und vermessungstechnische Arbeiten (Erläuterungen zum Geschichtlichen Atlas d. Rheinlande. Bd 10); Köln
Torge, W. 2002: Müfflings geodätisches Wirken in der Umbruchepoche vom 18. zum 19. Jahrhundert; in: zfv, Zeitschrift für Geodäsie, Geoinformation und Landmanagement; 127. Jg., H. 2/2002, S. 97-108
Willems, B. 1955: Oberst Tranchot und der Tranchot-Stein auf dem Hohen Venn; Eupen
Carl, M.-L. 2004: Der Hintergrund zur Kartenaufnahme der Rheinlande durch Tranchot und von Müffling im Spiegel einer Inschrift
Klöffler, M. 2000: Vermessungswesen in der Ausbildung und Praxis der preußischen Offiziere im frühen 19. Jahrhundert
Klöffler, M. 2008: ... nie wieder einer lieblichen Hand fähig. Zeichentechnik beim Militär ca. 1750-1820